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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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bis irgendwoher
die Nachricht kommt, daß er gemütlich vespere und von der Anstalt abgeholt
werden könne. Schließlich machte die »Tante« mit ihm aus, daß er sich vorher
bei ihr verabschieden solle, wenn ihn die Wanderlust wieder überfalle. Er
verspricht es auch, fragt aber zur Sicherheit, was er machen solle, wenn er bei
Nacht fort müsse. »Du kannst dich auch bei Nacht bei mir verabschieden«, lautet
die Antwort.
    Es dauert nicht lange, bis es
ihn mitten in der Nacht packt.
    Alles um ihn herum schläft, und
er steigt in aller Gemütsruhe zum Fenster hinaus. Aber er soll sich ja bei der
Tante verabschieden! Was tun? Sie wecken? Kommt nicht in Frage: dann müßte er
ja wieder ins Haus zurück. Nein, er stellt sich unter ihr Fenster und singt.
Das wird sie schon hören. Und wenn sie es nicht hört, ist es ihre Sache. Was
soll er nur singen? Es ist noch nicht lange her, da haben sie ein neues Lied
gelernt, das hat ihm gut gefallen. Es heißt darin so ungefähr, daß man einander
recht liebhaben müsse. Das will er der Tante auch sagen zum Abschied, daß er
sie lieb hat. Also fängt er an: »Herz und Herz vereint zusammen sucht in Gottes
Herzen Ruh.«
    Viel weiter kommt er nicht,
denn da steht auf einmal einer vor ihm und fragt: »Was singst denn du da?« Es
ist der Nachtwächter, der seine Runde macht und ihn erwischt, gerade als er so
schön zu singen angefangen hat. Der Nachtwächter versteht keinen Spaß, er nimmt
ihn ohne weiteres an der Hand und bringt ihn in sein Bett. Die Tante hat das
Abschiedslied nicht einmal gehört, aber der Nachtwächter hat’s ihr erzählt, und
nun zerbricht sie sich den Kopf, warum er denn gerade dieses Lied gesungen
habe, denn eigentlich paßt es doch nicht für einen, der ausreißen will. Aber
der Peter hat sich doch etwas dabei gedacht, auch wenn er es nicht ausdrücken
kann. Ich geh jetzt fort, sollte das heißen, das sollst du wissen, ich hab
dir’s ja versprochen; aber ich komm wieder, denn eigentlich bin ich doch bei
dir daheim und will es auch bleiben.
     
    Etliche Jahre früher war es
schon dem Max ähnlich ergangen, nur daß es bei ihm immer der Frühling war, der
ihm in die Knochen fuhr, so daß ihn eine unbezwingliche Wanderlust überkam. Es
half alles nichts. Er mußte dann unbedingt ein paar Tage ins Unterland
»verreisen«, kam aber jedesmal schon nach wenigen Tagen hochbefriedigt zurück.
Er hatte nur noch eine Schwester daheim, aber die konnte ihn nicht lange
beherbergen. Ihr Mann sah es nicht gern. Sie hatten ein Häuflein Kinder und
immer viel Arbeit in ihrer Landwirtschaft, da waren Besuche nicht sehr gefragt,
besonders wenn sie nur zum Faulenzen kamen, wie der Schwager sagte.
    In einem Jahr nun hatte es
seine besonderen Schwierigkeiten mit dem Verreisen. Max lag im Krankenhaus,
weil sich gewisse Lähmungen bei ihm gezeigt hatten. Zum Gehen brauchte er einen
Stock. Aber gerade deshalb sollte er sich im Gehen üben. So fiel es nicht
weiter auf, als er an einem schönen Frühlingsmorgen zum Tor hinaushumpelte. Er
war auch bald auf der Landstraße nach Rommelshausen und merkte zu seinem
Schmerz, daß er seine Kraft doch überschätzt hatte. Hilfesuchend schaute er
sich um. Wenn vielleicht ein Auto des Weges käme!?
    Kaum gedacht, kam auch eines
dahergefahren. Er winkte, es hielt. Wohin er wolle? Ins Unterland, Heilbronn
zu. So weit fahre er nicht, antwortete der Chauffeur, aber bis Stuttgart könne
er ihn mitnehmen. »Also nach Stuttgart, da finde ich dann den Weg schon
weiter.« Unterwegs erzählte er dem freundlichen Fahrer, daß er sich in
Stuttgart auf dem Bahnhof ein Auto mieten wolle, er habe genug Geld zum
Bezahlen. Ein Glück, daß der Chauffeur ein gutmütiger Mann war und zu seinen
Erzählungen lächelte. Aber unserem Max war es ernst, er zeigte ihm u. a. einen
Zwanzigmarkschein, den er zu Weihnachten von seiner Tante bekommen habe. Er
müsse unbedingt zu seiner Schwester fahren und sehen, wie es ihr und ihren
Kindern gehe, ob die Bäume wieder gut angesetzt hätten und was das Vieh im
Stall mache. »Wissen Sie«, sagte er, »mir langt’s, wenn ich nur wieder einmal
daheim gewesen bin. Ich bin ja von Stetten, da hab ich’s gut und kann nicht
klagen.« Er lachte spitzbübisch. »Jetzt werden sie mich wieder suchen wie eine
Stecknadel. Der Herr Doktor wird schimpfen, daß sie nicht besser auf mich
aufgepaßt haben. Ich bin nämlich gegenwärtig im Krankenhaus.«
    So schwätzte er weiter, voll
Freude, daß ihm sein Streich, gelungen war, und ehe sich

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