Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
gierig nach unten, als versuchten sie, die Flüssigkeit aufzufangen, um sie zu trinken.
»Gärrohr und Pfropfen«, flüstert Mouse. »Thomas Merton ist Scheiße, lass dir nie was anderes einreden. Kein einziger originaler Gedanke. Du musst die Gase entweichen lassen, ohne dass Staub in den Bottich gelangen kann. Jerry Garcia war nicht Gott. Kurt Cobain war nicht Gott. Das Parfüm, das er riecht, ist nicht das seiner toten Frau. Das Auge des Königs ist auf ihn gefallen. Gorg-ten-abbalah, eeleelee. Das Opopanax ist tot, lang lebe das Opopanax.«
Jack beugt sich tiefer in den von Mouse ausgehenden Gestank hinunter. »Wer riecht Parfüm? Auf wen ist das Auge des Königs gefallen?«
»Der verrückte König, der böse König, der traurige König. Alle rufen: Heil dem König!«
»Mouse, auf wen ist das Auge des Königs gefallen?«
»Ich dachte, Sie wollten ihn nach …«, sagt Doc.
»Auf wen?« Jack hat keine Ahnung, warum ihm das wichtig erscheint, aber das ist es. Hängt es mit etwas zusammen, was jemand in letzter Zeit zu ihm gesagt hat? War das Dale? Tansy? War das, Gott sei uns gnädig, Wendell Green?
»Kupferrohr und Schlauch«, sagt Mouse vertraulich. »Die braucht man, wenn die Gärung abgeschlossen ist! Und man kann Bier nicht auf Flaschen mit Schraubverschluss abziehen! Man muss …«
Mouse wendet sich von Jack ab, lässt den Kopf bequem auf der Schulter ruhen, öffnet den Mund und übergibt sich. Bear Girl kreischt entsetzt. Das Erbrochene ist eitergelb und mit sich bewegenden schwarzen Teilchen wie der Schleim in Mouse’ Augenwinkeln durchsetzt. Es lebt.
Beezer hastet überstürzt hinaus, und Jack schützt Mouse vor dem kurz aus der Küche einfallenden Sonnenlicht, so gut er kann. Der Druck der Hand, die seine umklammert, wird noch etwas schwächer.
Jack wendet sich an Doc. »Glauben Sie, dass er stirbt?«
Doc schüttelt den Kopf. »Nur wieder bewusstlos. So leicht kommt der arme alte Mousie nicht davon.« Er starrt Jack mit grimmigem, gehetzten Blick an. »Hoffentlich lohnt sich das alles, Mr. Policeman. Sonst kriegen Sie’s mit mir zu tun, darauf können Sie Gift nehmen.«
Beezer, der ein paar grüne Haushaltshandschuhe angezogen hat, kommt mit einem ganzen Berg Putzlappen zurück. Ohne ein Wort zu sprechen, wischt er die Pfütze aus Erbrochenem zwischen Mouse’ Schulter und der Rückenlehne der Couch auf. Die schwarzen Teilchen haben Gott sei Dank aufgehört, sich zu bewegen. Ihre Bewegungen überhaupt nicht gesehen zu haben, wäre allerdings noch besser gewesen. Das Erbrochene, stellt Jack bestürzt fest, frisst sich wie Säure in den abgewetzten Couchbezug.
»Ich ziehe jetzt für einen Augenblick die Decke herunter«, sagt Doc, und Bear Girl, die noch immer die Schüssel mit den
schmelzenden Eiswürfeln hält, steht sofort auf. Sie tritt an eines der Bücherregale und bleibt dort abgewandt und zitternd stehen.
»Doc, ist das etwas, was ich wirklich sehen muss?«
»Ich denke schon. Ich glaube nicht, dass Sie bereits wissen, womit Sie’s zu tun haben – sogar jetzt noch nicht.« Doc fasst die Decke am Rand an und zieht sie vorsichtig unter Mouse’ schlaffer Hand heraus. Dabei sieht Jack, dass das schwarze Zeug nun auch unter den Fingernägeln des Sterbenden hervorzuquellen beginnt. »Vergessen Sie nicht, dass das erst vor gut zwei Stunden passiert ist, Mr. Policeman.«
Doc zieht die Decke ganz herunter. Susan »Bear Girl« Osgood, die ihnen den Rücken zukehrt, steht vor den großen Werken der abendländischen Philosophie und beginnt lautlos zu weinen. Jack versucht einen Aufschrei zu unterdrücken, was ihm aber nicht gelingt.
Henry bezahlt das Taxi, betritt sein Haus und nimmt dann in der klimatisierten Kühle einen tiefen, beruhigenden Atemzug. Er registriert einen schwachen Duft – süß – und redet sich ein, dass er nur von frischen Schnittblumen herrührt, eine von Mrs. Mortons Spezialitäten. Er weiß es besser, aber er will im Augenblick nichts mehr mit Gespenstern zu tun haben. Er fühlt sich inzwischen einigermaßen besser und glaubt auch, den Grund dafür zu kennen: weil er den Kerl von ESPN aufgefordert hat, sich seinen Job hinten reinzustecken. Nichts ist besser geeignet, um einem Mann einen glücklichen Tag zu bereiten, vor allem wenn der Betreffende einer Erwerbstätigkeit nachgeht, zwei Kreditkarten besitzt, deren Limit nicht einmal andeutungsweise erschöpft ist, und drei Tüten Eistee im Kühlschrank hat.
Henry ist jetzt in Richtung Küche unterwegs, geht mit
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