Das Schweigen des Glücks
einen Sinn ergaben, machte sie mit ihrem Leben normal weiter. Am Freitag ging sie mit Kyle in den Park, am Samstag machten sie einen Spaziergang im Wald. Am Sonntag nahm sie Kyle mit in die Kirche und machte am frühen Nachmittag ein paar Besorgungen.
Da sie inzwischen genug Geld gespart hatte, um sich nach einem Auto umzusehen (einem alten, gebrauchten, billigen, aber hoffentlich dienstbaren), kaufte sie zwei Zeitungen, um die Kleinanzeigen zu studieren. Dann betrat sie den Lebensmittelladen. Sie ging durch die Gänge und wählte sorgfältig aus, weil sie sich für den Rückweg nicht zu sehr beladen wollte. Kyle studierte das Krokodil, das auf einer Packung Frosties abgebildet war, als Denise ihren Namen hörte.
»Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich dachte, ich hätte dich erkannt«, sagte Judy fröhlich. »Wie geht es dir?«
»Hi, Judy, gut, danke.«
»Hallo, Kyle«, sagte Judy.
»Haoo, Miss Jui«, wisperte er und konnte kaum den Blick von dem Karton abwenden.
Judy schob ihren Wagen ein bisschen zur Seite. »Und was habt ihr in letzter Zeit so gemacht? Du warst länger nicht mit Taylor zum Essen.«
Denise zuckte die Schultern, ihr war nicht ganz wohl. »Das Gleiche wie immer. Kyle hält mich ganz schön auf Trab.«
»So sind sie. Wie kommt er voran?«
»Der Sommer war für ihn sehr schön, so viel steht fest. Stimmt's, Kyle?«
»Ja«, sagte er leise.
Judy wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an ihn. »Du wirst immer hübscher. Und ich habe gehört, dass du auch im Baseball Fortschritte machst.«
»Besba«, sagte Kyle und wandte endlich den Blick von dem Karton ab.
»Taylor hat mit ihm geübt«, erklärte Denise. »Es macht Kyle viel Spaß.«
»Da bin ich froh. Für eine Mutter ist es leichter, ihren Kindern beim Baseball zuzugucken als beim Football. Ich musste mir meistens die Augen zuhalten, wenn Taylor gespielt hat. Er wurde immer zerquetscht – und ich habe das auf der Tribüne gehört und mich zu Tode geängstigt.«
Denise lachte nervös, während Kyle sie verständnislos ansah. Judy fuhr fort:
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dich hier zu treffen, weil ich dachte, du wärst mit Taylor zusammen. Er hat mir erzählt, er würde den Tag mit dir verbringen.«
Denise fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Ach, wirklich? Wann denn?«
Judy nickte. »Gestern. Er kam nach seiner Rückkehr kurz vorbei.«
»Ach… er ist wieder da?«
Judy sah sie verwundert an. Dann fragte sie behutsam: »Hat er dich nicht angerufen?«
»Nein.«
Denise verschränkte die Arme und wandte sich ab, damit ihr Unbehagen nicht sichtbar würde.
»Vielleicht warst du schon bei der Arbeit«, sagte Judy leise.
Aber beide wussten, dass das nicht stimmte.
Zwei Stunden nachdem sie wieder zu Hause war, sah sie Taylor die Auffahrt raufkommen. Kyle war vor dem Haus, und als er den Truck sah, rannte er sofort quer über die Wiese. Kaum hatte Taylor die Tür aufgemacht, sprang Kyle ihm in die Arme.
Denise trat auf die Veranda; in ihr rangen widerstreitende Gefühle miteinander. Sie fragte sich, ob er gekommen war, weil Judy ihn angerufen hatte, nachdem sie Denise im Geschäft getroffen hatte; ob er sonst auch gekommen wäre; warum er sie in den Tagen, als er weg war, nicht angerufen hatte. Und warum ihr Herz trotz alledem bei seinem Anblick einen Sprung machte.
Nachdem Taylor ihn abgesetzt hatte, griff Kyle nach seiner Hand; gemeinsam kamen sie zur Veranda.
»Hallo, Denise«, sagte Taylor, auf der Hut, als erriete er ihre Gedanken.
»Hi, Taylor.«
Als sie keine Anstalten machte, auf ihn zuzukommen, zögerte Taylor einen Moment, bevor er zu ihr ging. Er sprang die Stufen hinauf; Denise wich einen Schritt zurück und sah ihm nicht in die Augen. Als er sie küssen wollte, entzog sie sich ihm.
»Bist du böse auf mich?«, fragte er.
Sie sah über den Garten hinweg, bevor sie den Blick auf ihn richtete. »Ich weiß nicht, Taylor. Habe ich Grund dazu? «
»Taya!«, sagte Kyle wieder. »Tayas hia!«
Denise nahm seine Hand. »Könntest du einen Moment reingehen, mein Süßer?«
»Taya is hia!«
»Ich weiß. Aber sei bitte so lieb und lass uns einen Moment allein, ja?«
Sie drehte sich um und machte die Fliegentür auf, dann führte sie Kyle hinein, brachte ihn zu seinen Spielsachen und kam wieder zu Taylor auf die Veranda.
»Was ist denn los?«, fragte Taylor.
»Warum hast du nicht angerufen, während du weg warst?«
Taylor zuckte die Schultern.
»Ich weiß nicht… es war einfach keine Zeit. Wir waren den
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