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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Bild. Lange saß er da und betrachtete es, als wollte er dem allmählichen Sinken der Sonne zusehen. Und als er von seinem Platz vor dem Kloster von Santa Maria de Gerri zurückkam, brach er in Tränen aus.

33
    Die Universität, der Unterricht, alles lesen können, was jemals geschrieben worden war … Seine größte Freude war, wenn er in seiner Hausbibliothek ein unvermutetes Buch entdeckte. Und die Einsamkeit war nicht schwer zu ertragen, weil er die ganze Zeit beschäftigt war. Die beiden Bücher, die er veröffentlicht hatte, hatten nur wenige Leser und keinerlei Anklang gefunden. Über das zweite Buch war in El Correo Catal á n ein ätzender Verriss erschienen, den Adrià ausschnitt und in einer Mappe aufbewahrte, denn er war stolz, dass es ihm gelungen war, wenigstens eine heftige Reaktion hervorzurufen. Eigentlich aber war ihm das alles gleichgültig, weil sein wahrer Kummer ein anderer war und er wusste, dass das sowieso nur Fingerübungen waren. Hin und wieder spielte ich auf meiner geliebten Storioni, vor allem, um ihre Stimme am Leben zu halten, aber auch, um die Geschichten zu lernen, die Narben auf ihrer Haut hinterlassen hatten. Manchmal kehrte ich sogar zu den Fingerübungen der Trullols zurück und dachte dabei ein wenig sehnsuchtsvoll an sie. Was wohl aus allem und jedem geworden war? Was wohl aus der Trullols geworden war?
    »Sie ist tot«, sagte Bernat eines Tages, als sie sich wieder ab und zu trafen. »Und du solltest heiraten«, fügte er großväterlich hinzu.
    »Ist sie schon lange tot?«
    »Das Alleinsein bekommt dir nicht.«
    »Das Alleinsein bekommt mir ausgezeichnet. Ich lese und studiere den lieben langen Tag. Ich spiele Geige und Klavier, und manchmal kaufe ich mir bei Can Múrria irgendeinen Delikatesskäse, Foie oder Wein. Was will ich mehr? Den Alltag regelt Lola Xica für mich.«
    »Caterina.«
    »Ja, Caterina.«
    »Beeindruckend.«
    »Genau das habe ich immer gewollt.«
    »Und der Sex?«
    Ach Gott, der Sex. Das Problem war das Herz. Darum hatte er sich auch heftig und für alle Zeiten in dreiundzwanzig Studentinnen und zwei Kolleginnen verliebt, aber das hatte nichts genutzt, weil … nun ja, mit Ausnahme von Laura, die, tja, die …
    »Woran ist die Trullols gestorben?«
    Bernat stand auf und wies auf den Schrank. Adrià machte eine Handbewegung, die bedeutete, bedien dich. Und Bernat spielt einen teuflischen Csárdás, der selbst die Manuskripte zum Tanzen brachte, und anschließend einen hübschen kleinen Walzer, ein wenig schnulzig, aber virtuos interpretiert.
    »Das klingt phantastisch«, sagte Adrià bewundernd. Mit einem Anflug von Eifersucht nahm er Vial zur Hand: »Wenn du eines Tages mal Kammermusik spielst, leihe ich sie dir.«
    »Uff, was für eine Verantwortung.«
    »Sag mal, was wolltest du denn so Dringendes?«
    Bernat wollte, dass ich eine Erzählung von ihm las, und mir schwante, dass wir wieder aneinandergeraten würden.
    »Ich höre nicht auf mit dem Schreiben, auch wenn du mir immer sagst, ich solle es lassen.«
    »Richtig so.«
    »Aber ich fürchte, du hast recht.«
    »Womit?«
    »Das, was ich schreibe, ist seelenlos.«
    »Und warum?«
    »Wenn ich das wüsste …«
    »Vielleicht ist Schreiben einfach nicht dein Ausdrucksmittel.«
    Da nahm Bernat mir die Geige aus der Hand und spielte die Caprice Basque von Sarasate mit sechs oder sieben groben Schnitzern. Und als er fertig war, sagte er, siehst du? Die Geige ist nicht mein Ausdrucksmittel.
    »Du hast absichtlich Fehler gemacht. Ich kenn dich doch, Junge.«
    »Ich könnte nie Solist sein.«
    »Das musst du auch nicht. Du bist Musiker, spielst Geige und verdienst dir damit deinen Lebensunterhalt. Was willst du noch, verdammt noch mal?«
    »Ich möchte mir Bewunderung und Zuneigung damit verdienen, nicht meinen Lebensunterhalt. Und wenn ich immer nur die zweite Geige spiele, werde ich nie einen bleibenden Eindruck hinterlassen.«
    »Das Orchester hinterlässt einen bleibenden Eindruck.«
    »Ich will aber Solist sein.«
    »Aber das kannst du nicht! Das hast du doch selbst eben erst gesagt.«
    »Deshalb will ich schreiben: Der Schriftsteller ist immer Solist.«
    »Ich glaube nicht, dass das der beste Grund ist, Literatur zu schreiben.«
    »Es ist mein Grund.«
    Und so musste ich die Erzählung behalten, die sich als ganzer Erzählband erwies, las sie, und nach ein paar Tagen sagte ich zu ihm, die dritte, die mit dem Bauchladenverkäufer, ist vielleicht die beste.
    »Das ist alles?«
    »Hm, ja.«
    »Und du hast

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