Das Schwein unter den Fischen
Und als es gerade begann, mir zu gefallen, war es auch schon vorbei. Vielleicht sollte ich das nächste Mal vorher Alkohol trinken, um mich schneller gehenlassen zu können. Viele Mädchen aus meiner Klasse machten das so und gaben später damit an, dass sie komplett besoffen von irgendeinem beliebten Typen ordentlich durchgebumst worden seien.
Ich überlege, wohin ich jetzt noch ausgehen könnte. Ich gehe zur Vitrine im Wohnzimmer und nehme Ramonas Whiskey mit in mein Zimmer. Eine halbe Stunde später suche ich in meinem Handy nach Telefonnummern von Leuten, die nachts unterwegs sein könnten. Die meisten wären irritiert, mitten in der Nacht und nach so langer Zeit von mir zu hören. Schließlich schreibe ich Simon eine SMS. Er antwortet mir sofort: Wir sind alle im
Supereverything
. Ich habe keine Ahnung, was das ist, und rufe die Auskunft an.
Die Bar ist gar nicht so weit entfernt. Drinnen ist es so voll, dass noch einmal genauso viele Leute draußen herumstehen. Alle Frauen sind frisiert, glitzern und stolzieren auf hohen Absätzen herum, dazwischen ein paar Typen, die aussehen wie im Wahlkampf; einige tragen saubere Turnschuhe zum Anzug. Ich habe mir heute gerade mal die Haare gewaschen, trage zu den Baggypants ein Van-Halen-T-Shirt von Reiner, dazu die alten Turnschuhe von Tante Trixi.
Ich weiß nicht warum, aber ein blasser, großer Typ mit Schmollmund, Frisur, einem Unterhemd und zu enger dunkelgrüner Bundfaltenhose kommt auf mich zu und quatscht mich voll. Er will wissen, ob wir nicht letztens in Paris, New York oder Mailand auf den gleichen Partys waren. Ich bitte ihn um eine Zigarette. Er gibt mir eine Mentholzigarette und berichtet mir, dass man in der amerikanischen Hip-Hop-Szene schon lange Menthol raucht.
»Bei mir zu Hause auch«, sage ich, was er total cool findet. Als er erfährt, dass ich noch nie in Paris oder New York war, wirkt er seltsam enttäuscht.
»Ich komm viel rum, ich bin Model! Du hast auch ein interessantes Gesicht und einen lässigen Style!«, sagt er. »Und du bist ziemlich groß für ein Mädchen«, fügt er hinzu, als sei das eine besondere Leistung.
»Kann ich deine Nummer haben? Ich würde dich gern mal treffen und an meine Agentur vermitteln, die machen dann erst mal ein paar Polaroids, aber ich glaub, du hast echt Potential.«
»Als Model?«
»Strike!«, sagt er, schnalzt mit der Zunge und kneift die Augen zusammen, als blende ihn die Sonne.
»Aber warum sollte ich etwas derart Schwachsinniges machen?«
»Wegen der Kohle, honey, und man kommt auf der ganzen Welt rum, ist immer unterwegs.«
»Nö, lass mal, da verblöde ich lieber gleich hier gemütlich im Imbiss meines Vaters.«
»Wie du meinst, aber denk noch mal drüber nach, früher oder später schlägst du in der Agentur auf, darauf wette ich. Ich bin übrigens Folk«, sagt er stolz.
»So heißt du?«
»Nee, eigentlich Volker, Folk ist mein Künstlername, mein internationaler Code, du verstehst? Also, gibst du mir jetzt deine Nummer? Wie heißt du eigentlich?«
»Candy.«
»In echt?«
»Ja, meine Mutter war Amerikanerin, sie wurde in Vegas erschossen, als ich noch klein war.«
»Heftig, krass, don’t know what to say, honey. Ich will dich treffen, und du musst meine Bookerin kennenlernen, wie groß bist du?«
»1,78.«
»Perfect. You’re such a beautiful girl! Je länger man dich anguckt, desto schöner wirst du, du bist ein richtiges Original. Hättest du vielleicht Lust, nachher zu ficken? Ich hab auch was dabei, du verstehst?«
»Jetzt dreh mal nicht durch, Volker, ich bin hier verabredet! Mit meinem Freund.«
Er steckt die Daumen in die Taschen seiner Hose, verfällt in eine seitlich gekippte Pose und sagt: »Ooookaaayyy … Schade, schade. Aber falls du ihn irgendwann abschießt, ich bin eigentlich immer hier, wenn ich nicht im Ausland bin.« Drinnen ist Simon nirgends zu finden, ein Typ greift mir in die Haare, ich drehe ihm die Hand um, eine Frau lallt mich an der Bar voll, sie wolle irgendwann mal mit einer Frau rummachen. Es ist nicht klar, ob sie damit mich meint. Ich werde sie nicht los, obwohl ich an ihr vorbeisehe und keine Fragen stelle. Als ein Typ sie von hinten umarmt, macht sie eine unmissverständliche Geste, dass er verschwinden soll. Kurze Zeit später geht sie mit ihm weg.
Ich finde Simon schließlich auf der Toilette, er lehnt, eine Lolli lutschende Frau im Arm, an der verspiegelten Wand in dem geräumigen Damenklo und redet mit zwei Typen über die Verfilmung von
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