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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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nun?«, flüsterte er.
    Hinter der nächsten Ecke gingen sie in Deckung. Meris spähte die Straße hinauf. Sie betrachtete den Turm und das lange Gebäude, das daran anschloss. »Ich nehme an, der Turm gehört zu dem Gasthaus daneben«, sagte sie.
    Dauras konnte nichts erkennen, aber er nickte.
    »Warte hier«, sagte Meris.
    »Was hast du vor?«, fragte er.
    »Ich sehe mich um«, antwortete Meris. »Vielleicht erfahre ich in dem Gasthaus etwas über die Gäste im Turm. Jemand muss bleiben und den Zugang beobachten, falls der Söldner wieder herauskommt.«
    »Ich weiß nicht   …«, stammelte Dauras. »Ich weiß nicht, ob ich der Richtige dafür bin.«
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte Meris. »Aber du bist der Einzige, der für diese Aufgabe übrig bleibt.«
    Sie wandte sich ab. Dauras hielt sie zurück. »Warte! Woher wissen wir, dass der Ritter mit der goldenen Axt überhaupt etwas mit dem Kanzler zu tun hat? Vielleicht ist er nur zufällig hier, um das Fest des Lebens in Meerbergen zu genießen!«
    »Er hat damals für Edern gearbeitet«, sagte Meris. »Und jetzt steht Edern an der Seite des Kanzlers. Das wäre ein zu großer Zufall.«
    Dauras blieb allein zurück. Er strengte sich an, aber er wusste nicht, was er sehen sollte. Er beugte sich weiter vor, bis ihm bewusst wurde, wie leicht er selbst bemerkt werden konnte, wenn er so starrte.
    Er dachte kurz nach, dann trat er aus seiner Deckung. In den letzten Tagen hatte er eine Menge Betrunkene erlebt. Er würde also kaum auffallen, wenn er selbst einen Betrunkenen spielte.
    Dauras ließ sich an der Wand herunterrutschen, ganz in der Nähe des Eingangs zum Turm, streckte die Beine aus und beugte den Oberkörper vor. Er zog seine Maske ein Stück vom Gesicht und spähte zwischen dem Rand und der Kapuze hindurch.
    Er war so konzentriert auf den Eingang, dass er zusammenzuckte, als unvermittelt eine Gestalt vor ihm auftauchte. Sie ging an ihm vorüber, ohne ihn zu beachten   – und trat ihm dabei auf die ausgestreckten Beine.
    »He!« Dauras fuhr auf.
    Der Fremde schritt ungerührt weiter. Dauras sah nur einen riesigen roten Fleck, so rot, dass er die ganze Straße zu beherrschen schien. Doch so wenig Dauras von den Umrissen auch unterscheiden konnte, etwas an dem Mann kam ihm bekannt vor   … Die Art, wie er sich bewegte, der Rhythmus. Ja, es war ein Mann, der sich unter dem roten Gewand verbarg, daran bestand kein Zweifel!
    Dauras sank wieder in sich zusammen und ließ seinen empörten Ausruf in einem unverständlichen Gemurmel enden. In ihm brodelte es. Er sah, wie die riesenhafte Gestalt durch die Pforte im Turm verschwand.
    Einen Augenblick später schwankte er wieder zu der Ecke, wo Meris und er zuvor gelauert hatten, und wartete.
    Als Meris endlich zurückkehrte, sprang er auf sie zu. »Er ist hier!«
    »Wer ist hier?«, fragte Meris überrascht.
    »Der Kanzler!«, stieß er ungeduldig hervor. »Er ist im Turm.«
    Es war voll und laut in dem Gasthaus. Nach dem Abendessen ging Lacan in die Scheune. Er löste die Wache bei den Wagen ab, setzte sich auf den Kutschbock und schaute auf denHof hinaus. Es war dunkel geworden, aber der Wirt hatte rings um das Haus bunte Laternen aufgehängt.
    Sobrun trat zu ihm. »Ich fürchte, wir brauchen eine Verkleidung, Herr.« Er betrachtete ein Stallmädchen, das eine Perücke aus grüner Wolle trug und sich zwischen den Pferden mit einem Burschen neckte, der sich mit Kohle einen falschen Bart gezeichnet hatte.
    »Ich habe nie viel von diesen Masken gehalten«, antwortete Lacan. »Was man auch am Fest des Lebens tut, man sollte sich dabei nicht verstecken müssen.«
    »Is’ wahr«, erwiderte Sobrun. »Ich hab immer gedacht, mein richtiges Gesicht ist gut genug, um ’ne Hübsche rumzukriegen. Andrerseits war ich da noch jünger. Und ich fürchte, hier in der Stadt kommt man ohne Maske nicht weit   – wenn sogar die Knechte bei der Arbeit sich anmalen.«
    »Das stimmt«, sagte Lacan. »In Meerbergen spricht man nur vom Maskenfest. Kaum einer nennt es das Fest des Lebens, wie anderswo. Meine Heimat ist da ein wenig   … eigen.«
    »Ach, mir gefällt’s.« Sobrun grinste. »Solang der Rest gleich bleibt. Aber was ist mit Euch? Ihr sprecht vom Fest des Lebens, dabei seid Ihr auch hier zu Hause.«
    »Hm   …«
    Eine Dame trat in den Hof. Ihr weites, gebauschtes Kleid glitzerte silbrig im Lampenlicht. Auf dem Kopf trug sie einen spitz zulaufenden Federschmuck, der an einen Wiedehopf erinnerte und der in eine

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