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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ist vorbei, Weglaufen ist nicht möglich und Aufwachen nicht denkbar. Dies ist der Mystery Train, Jessie. Du bist die Miezekatze, und ich bin die Eule. Los geht’s – alles an Bord. Bitte anschnallen, und zwar fest. Dies ist eine Fahrt ohne Rückfahrkarte.
    Nein!
    Aber jetzt wird der Tag zu Jessies Entsetzen dunkler. Es könnte sein, dass die Sonne nur hinter einer Wolke verschwindet, aber sie weiß, dass es nicht so ist. Die Sonne erlischt. Bald werden die Sterne am Sommernachmittagshimmel leuchten, und die alte Heule-Eule wird der Taube was heulen. Die Zeit der Sonnenfinsternis ist gekommen.
    Nein!, kreischt sie wieder. Das war zwei Jahre vorher!
    Da irrst du dich, Süße, sagt Ruth Neary. Für dich war sie nie zu Ende. Für dich ist die Sonne nie wieder zum Vorschein gekommen.
    Sie macht den Mund auf, um das zu bestreiten, um Ruth zu sagen, dass sie sich ebenso einer Überdramatisierung schuldig macht wie Nora, die sie immer zu Türen geschubst hat, die sie, Jessie, nicht aufstoßen wollte, die ihr versicherte, dass man die Gegenwart verbessern kann, indem man die Vergangenheit untersucht – als könnte man den Geschmack des heutigen Essens verbessern, indem man es mit den madigen Überresten des gestrigen mischt. Sie möchte Ruth sagen, ebenso wie Nora an dem Tage, als sie deren Praxis zum letzten Mal betreten hatte, dass es ein großer Unterschied ist, ob man mit etwas lebt oder davon gefangen gehalten wird. Begreift ihr beiden nicht, dass der Ich-Kult auch nur ein Kult ist?, will sie sagen, aber bevor sie auch nur den Mund aufmachen kann, beginnt der Überfall: Eine Hand zwischen ihren leicht gespreizten Beinen, der Daumen drückt grob gegen ihre Pofalte, die Finger reiben dicht über ihrer Vagina auf dem Stoff der Shorts, und es ist dieses Mal nicht die unschuldige kleine Hand ihres Bruders; die Hand zwischen ihren Beinen ist viel größer als die von Will und überhaupt nicht unschuldig. Das schlimme Lied läuft im Radio, die Sterne sind um drei Uhr nachmittags zu sehen, und so (du wirst nicht sterben, es ist nicht giftig) necken die Erwachsenen einander.
    Sie wirbelt herum und rechnet damit, ihren Vater zu sehen. Er hat während der Sonnenfinsternis so etwas mit ihr gemacht, das die winselnden Anhänger des Ich-Kults und die Ewiggestrigen wie Ruth und Nora wahrscheinlich Kindesmissbrauch nennen würden. Was immer es war, er wird es sein – da ist sie sich ganz sicher -, und sie befürchtet, sie wird eine schreckliche Strafe für seine Tat folgen lassen, so ernst oder trivial sie auch gewesen sein mag: Sie wird den Krocketschläger heben und ihm damit ins Gesicht schlagen, die Nase zertrümmern und die Zähne ausschlagen, und wenn er aufs Gras fällt, werden die Hunde kommen und ihn fressen.
    Aber nicht Tom Mahout steht da; es ist Gerald. Er ist nackt. Der Penis des Anwalts ragt unter dem weichen rosa Halbrund seines Bauchs hervor. In jeder Hand hält er eine Polizeihandschelle Marke Kreig. Er streckt sie ihr in der unheimlichen Dunkelheit am Nachmittag entgegen. Unnatürliches Sternenlicht funkelt auf den offenen Bogen mit dem Aufdruck M-17, weil sein Lieferant ihm keine F-21er besorgen konnte.
    Komm schon, Jess, sagt er grinsend. Es ist nicht so, dass du nicht wüsstest, worum es geht. Außerdem hat es dir gefallen. Beim ersten Mal bist du so heftig gekommen, dass du fast explodiert wärst. Ich darf dir versichern, dass das die beste Nummer meines Lebens war, so gut, dass ich manchmal davon träume. Und weißt du, warum es so gut war? Weil du keine Verantwortung übernehmen musstest. Fast alle Frauen mögen es lieber, wenn der Mann alles in die Hand nimmt – das ist eine erwiesene Tatsache der weiblichen Psychologie. Bist du gekommen, als dein Vater dich missbraucht hat, Jessie? Ich wette, du bist. Ich wette, du bist so heftig gekommen, dass du fast explodiert wärst. Die Anhänger des Ich-Kults mögen das zwar bestreiten, aber wir kennen die Wahrheit, oder nicht? Manche Frauen können sagen, dass sie es wollen, aber manche brauchen einen Mann, der ihnen sagt, dass sie es wollen. Du gehörst zu den Letzteren. Aber das macht nichts, Jessie, dafür sind die Handschellen da. Nur sind sie nie Handschellen gewesen. Es sind Armreife der Liebe. Also zieh sie an, Herzblatt. Zieh sie an.
    Sie weicht zurück, schüttelt den Kopf und weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Das Thema ist neu, aber die Argumentation nur allzu vertraut. Deine Anwaltstricks funktionieren bei mir nicht, Gerald – ich bin schon

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