Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
schönste Kerze für Bischof Peter entzündet, die es im Dom zu kaufen gab«, flüsterte Elisabeth ihrem Großvater ins Ohr und warf mir gleichzeitig einen teilnahmsvollen Blick zu.
Albert Klotz brummte etwas und hörte nicht auf, mich mit Blicken zu durchbohren. Plötzlich beugte er sich nach vorn und starrte mir aus solcher Nähe ins Gesicht, dass seine Nase fast die meine berührte. Sein Atem roch wie der eines alten Hundes. Er grinste, und ehe ich mich versah, packte eine trockene Hand meine Rechte und drückte sie.
»Der Bub ist wieder da«, rief er, als hätte ich mich in einem anderen Raum befunden und nicht in Reichweite seiner nassen Aussprache. »Ist verdammt Zeit geworden.« Er drückte meine Hand aufs Neue und brüllte über die Schulter seinen Kameraden zu: »Der Bursche hat hier gefehlt von dem Tag an, als er die Stadt verließ!«
Ich war seinerzeit der Einzige im ganzen Gefolge des Bischofs gewesen, bei dem Albert Klotz nicht abgewartet hatte, bis er gegrüßt wurde; er hatte mich stets zuerst gegrüßt. Abgesehen davon hatte er niemals auch nur eine Bewegung gemacht, um mir zu signalisieren, dass ich in seiner Achtung höher stand als die Pferde vor seiner Kutsche. Daher wunderte ich mich, dass er nun zu mir sprach wie zu einem lang vermissten kleinen Bruder.
»Wenn ich mir selbst hätte verzeihen können, wäre ich vielleicht eher zurückgekehrt«, hörte ich mich sagen und war selbst erstaunt darüber.
»Seine Exzellenz hat ein weiteres Herz als du«, grollte er. »Warst du schon bei ihm? Hat er sich gefreut?«
Ich blinzelte. Elisabeth, die hinter ihrem Großvater stand, nickte heftig.
»Ja«, sagte ich und hatte nicht das Gefühl, dass ich log. »Noch vor dem Gewitter.«
»Er hat dir schon lang vergeben. Ich bin gespannt, was er mir erzählen wird von eurer Begegnung.«
»Großvater, Bischof Peter ist seit fast zehn Jahren tot«, erklärte Elisabeth und streichelte die Wange des alten Mannes. Er sah befremdet zu Boden und wischte die Bemerkung schließlich mit einer brüsken Handbewegung beiseite. »Unfug«, brummte er. »Wie kann er tot sein, wenn er hier ist?«
Albert Klotz setzte ein grimmiges Gesicht auf und versuchte aufzustehen. Er sank mit einem Wehlaut und verzogenem Gesicht wieder auf die Bank. »Mein Kreuz«, seufzte er.
»Hast du dich wieder verausgabt?«
»Weiß nicht«, murmelte der Alte. Er sah seine Hände an und öffnete und schloss sie. »Hab ich das?«
»Der Burggraf hat ihn geheißen, sich um sein Pferd zu kümmern«, sagte ich. »Ich glaube, der Sattel ist eigentlich zu schwer für ihn.«
Elisabeth kniff die Augen zusammen und funkelte mit der gleichen grimmigen Miene, mit der ihr Großvater mich vor wenigen Augenblicken bedacht hatte, in Richtung der geschlossenen Tür.
»Pferde sind falsche Biester«, brummte Albert unzusammenhängend. »Hab ich schon immer gesagt. Man kann ihnen nicht trauen.« Er sah auf den Tisch und geriet durch den Anblick der Brotkanten und der Milchschüssel vor ihm in ein anderes Fahrwasser.
»Ein Glück, dass du gerade da bist, mein Kind«, donnerte er und klopfte Elisabeth auf den Arm. »Die haben uns Brot gegeben, mit dem man Steine zerkleinern könnte, so hart ist es.«
Er zog die Lippen zurück und entblößte weniger als ein halbes Dutzend braun verfärbter Zahnstummel, die in seinemMund standen wie die Überreste einer lang geschleiften Burg in einem leeren Acker. Elisabeth verdrehte die Augen. Sie griff nach einem der Brotkanten und brach ein Stück davon ab. Das Brot ächzte und zersplitterte dann in ihrer Hand.
»Bischof Peter ist großzügig zu uns«, knurrte Albert. »Der Burggraf hingegen, dieser Geizkragen ...«
»Es ist Bischof Johanns Gnade«, erinnerte ihn Elisabeth. Sie tunkte das Brot in die Milch und wartete, bis es sich vollgesogen hatte. Dann steckte sie das nasse Stück ihrem Großvater in den Mund, und er begann zu kauen. Die Augen der anderen weiteten sich, und sie begannen zu grinsen wie Adam, als er zum ersten Mal Eva erblickte und sich fragte, wie Gott dieses kleine Kunststückchen fertig gebracht hatte.
»Ihr braucht es bloß abzubrechen und einzutunken, bis es weich ist«, rief Elisabeth lächelnd.
»Das hätte ich euch auch sagen können, wenn ihr mich gefragt hättet«, donnerte Albert und sperrte danach den Mund auf wie ein junger Kuckuck. Elisabeth schob ihm ein weiteres Stück hinein, und er ließ seine fast zahnlosen Kiefer mahlen und wandte sich dann mit Verschwörermiene an mich. »Ich kümmere
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