Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
ebendieser Hütte haben wir Aibell gefunden. Sie hat uns erzählt, sie sei vor Fidaig, dem Stammesführer der Luachra, geflohen, weil der sie misshandelt hat. Sie ist bis zum Suir gekommen und wurde von dort nach Cashel mitgenommen. Kurz vor der Morgendämmerung ist sie hier angelangt. Ein Schäfer hat ihr den Weg zur Hütte gezeigt, in der sie ein paar Stunden im Trocknen schlafen konnte. Sowohl der Kutscher, der sie auf dem Planwagen mitnahm, als auch der Schäfer, der sie zur Hütte wies, haben bezeugt, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprechen.«
Fidelma holte kurz Luft und fuhr fort: »Somit können wir uns auf diese Aussagen des Mädchens verlassen. Sie hat uns jedoch weiterhin erzählt, dass sie in der Nähe vom Dún Eochair Mháigh aufgewachsen ist, der Hauptfestung der Stammesführer der Uí Fidgente. Ihr Vater Escmug war ein einfacher Fischer auf dem Fluss An Mháigh. Ihrer Schilderung nach war er ein widerlicher Kerl, der sie als Leibeigene an Fidaig von den Luachra verkauft hat, obwohl sie bereits das Alter der Wahl erreicht hatte.«
Brehon Aillín schniefte ungehalten und unterbrach sie. »Das ist höchst unwahrscheinlich. Selbst bei den Uí Fidgente verstößt ein solcher Handel gegen das Gesetz.«
»Wie dem auch sei, so und nicht anders hat sie es uns berichtet. Ziehen wir in Betracht, dass der Attentäter eine Satteltasche mit dem Brandzeichen des Fürsten der Uí Fidgente hatte, und dass das Mädchen aus der Umgebung der Hauptfestung dieses Stammes kommt, so haben wir es mit einem weiteren seltsamen Zufall zu tun, dem wir nachspüren müssen. Es mag ein bloßer Zufall sein, doch wir brauchen handfeste Beweise.«
Stirnrunzelnd lehnte sich Finguine zurück. »Hast du einen Vorschlag, wie wir an solche Beweise kommen? Wahrscheinlich wirst du das Mädchen weiter befragen.«
»Wenn sie uns einmal belogen hat, wird sie es auch wieder tun«, rief Brehon Aillín missmutig dazwischen.
»Sie weiter zu befragen, habe ich nicht vor«, sagte Fidelma schnell. »Es gibt nur eine Möglichkeit, sichere Kenntnis zu erlangen.«
Caol begriff sofort, worauf sie hinauswollte. »Du willst ins Stammesland der Uí Fidgente reiten und dort Erkundigungen einziehen, stimmt’s?«
Brehon Aillín schürzte die schmalen Lippen und äußerte sein Missfallen. »Im Gebiet der Uí Fidgente lauern für jemand von deiner Abstammung viele Gefahren. Vergiss nicht, dein Bruder hat den Aufstand des Eoganán in der Schlacht bei Cnoc Áine niedergeschlagen.«
»Bruder Eadulf und ich haben uns auf dem Weg zur Abtei Ard Fhearta einige Zeit ohne Schaden zu nehmen bei den Uí Fidgente aufgehalten«, wehrte Fidelma ab.
»Soweit ich mich erinnere«, beharrte der Oberste Richter pedantisch, »wart ihr damals auf Einladung und unter dem persönlichen Schutz von Conrí, dem Heerführer der Uí Fidgente, dort.«
»Richtig!«, beeilte sich Finguine zu bestätigen. »Seither hat es ziemliche Unruhen in dem Landstrich gegeben.«
»Unruhen?«, fragte Fidelma abschätzig. »Den Aufruhr, den du meinst, hat allein Eithne von An Dún in ihrem Fanatismus geschürt. Den Uí Fidgente kann man das nicht zur Last legen. Selbst wenn sie sich nur widerborstig unter die Oberherrschaft von Cashel fügen, so hat doch Fürst Donennach Frieden mit uns geschlossen und hält sich daran.«
Finguine gefiel es gar nicht, wie sich die Dinge entwickelten.»Bist du wirklich der Ansicht, dorthin zu reiten ist der einzige Weg, um den Fall aufzuklären?«
»Die Leiche gibt uns keine weiteren Aufschlüsse«, erwiderte Fidelma. »Und Aibell müsste schon eine sehr gewiefte Lügnerin sein, um uns völlig hinters Licht zu führen. Zwei verschiedene Zeugen haben bestätigt, wie sie hierher gelangt ist. Doch es nützt nichts, wir müssen noch viel mehr aufdecken – und das wird uns in Cashel leider nicht gelingen.«
Für alle unerwartet wandte sich Finguine an Eadulf, der bislang schweigsam neben Fidelma gesessen hatte. »Du hast noch gar nichts gesagt, Freund Eadulf. Wie sollten wir vorgehen?«
»Als Fremdling in diesem Königreich steht es mir nicht zu, im Kreis der engsten Ratgeber zu sprechen.«
»Unsinn!«, platzte Finguine heraus. »Du bist längst nicht mehr ein cú glas , ein Fremder von jenseits der See. Mit deiner und Fidelmas Eheschließung haben wir dich als einen deorad Dé aufgenommen, einen Einwanderer Gottes, und dir wurde dein eigener Ehrenpreis zuerkannt. König Colgú hat stets auf deinen Rat Wert gelegt. Auch ich tue das und bitte dich jetzt, deine
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