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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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wo sich ihr Geldbeutel befand.
    »Wir haben auch ganz frischen Spinat, der schmeckt vorzüglich in der Suppe, stärkt das Herz und gibt neue Kraft.« Geschäftstüchtig hielt die kleine, dralle Marktfrau Jana einen ganzen Korb voller Spinatblätter entgegen und grinste sie mit einem fast zahnlosen Lächeln erwartungsvoll an.
    Aber Jana schüttelte den Kopf. »Danke, aber wir haben in den letzten Wochen so viel Spinat gegessen, dass ihn niemand mehr sehen kann.«
    Das Lächeln der Marktfrau verschwand wieder. Sie sah sich um und überlegte, was sie Jana stattdessen anbieten könnte.
    In dem Moment trat jemand neben Jana und stieß sie unsanft in die Seite. Jana erschrak, geriet aus dem Gleichgewicht und wäre beinahe über einen weiteren Korb Spinat gestolpert, der vor ihr auf dem Boden stand. Im letzten Augenblick fing sie sich wieder. Irritiert sah sie zur Seite, wer ihr diesen unfreundlichen Stoß versetzt hatte, und war überrascht, als sie in das mausgraue Gesicht der Kesselflickerin blickte. Hass blitzte in den kleinen dunklen Knopfaugen auf, und er galt Jana.
    »Ihr habt mich betrogen!«, rief sie. »Die Medizin, die Ihr mir verkauft habt, taugt nichts. Sündhaft teuer ist sie gewesen, und jetzt hat mein Mann so schlimme Schmerzen, dass man meinen könnte, sein letztes Stündchen hat geschlagen. Ihr seid eine elende Betrügerin und eine Giftmischerin obendrein.« Die dürre Frau schrie so laut, dass einige Marktbesucher sich neugierig umdrehten.
    »Ich habe die Medizin nach dem Rezept des Arztes zusammengemischt. Euer Ärger sollte ihm gelten, nicht mir«, sagte Jana. Sie versuchte ruhig zu klingen, aber ihr Herz schlug so rasend schnell, als wollte es ihr aus der Brust springen. Immer mehr Passanten drehten sich zu ihr um und starrten sie sensationsgierig an. Ein Streit, in dem eine Frau der Giftmischerei beschuldigt wurde, war besser als jedes Theaterstück.
    »Jeder weiß, dass die Protestanten die Katholiken hassen. Ihr habt versucht, meinen Mann mit Eurer teuren Medizin zu vergiften. Mit meinem sauer verdienten Geld kauft Ihr Euch heute die besten Lebensmittel, und mein armer Mann kriegt nur hartes Brot und krümmt sich vor Schmerzen im Bett.«
    Rasch hatte sich eine Menschentraube um Jana und die Kesselflickerin gebildet. Neugierige Augen starrten sie an und deuteten mit dem Finger auf Jana. Es wurde geflüstert und böse getuschelt. Eine Protestantin, die angeblich einen Katholiken vergiften wollte! Solche Geschichten waren genau nach dem Geschmack der Prager. Niemand wollte sich das kostenlose Schauspiel entgehen lassen. Ganz egal, wie der Streit ausgehen würde, er bot herrlichen Stoff für weiteren Klatsch und Tratsch. Selbst von den entlegenen Ständen strömten die Menschen herbei und hörten mit offenem Mund zu.
    »Ich habe Euch gestern schon erklärt, dass ich glaube, der Arzt hat sich geirrt. Zimt und Galgant helfen nicht bei der Seitenkrankheit, und Schweineschmalz wirkt wie Gift«, sagte Jana. Ihre Stimme klang unsicher, das passierte ihr äußerst selten. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen und sah sich um. Sensationsgierige Menschen standen dicht gedrängt vor ihr und machten jede Flucht unmöglich. Sollte sich dieser Zwischenfall herumsprechen und sie in Zukunft tatsächlich als Giftmischerin gelten, konnte Jana ihren Beruf an den Nagel hängen.
    »Ha! Gift! Ihr sagt es, genau das habt Ihr meinem Mann gegeben.« Die Kesselflickerin lachte gehässig auf. »Ihr seid kein Arzt, und Ihr habt mich angelogen, in der Medizin war keine getrocknete Hühnerhaut. Eure Tante hat mir ganz andere Haut verkauft. Ihr habt mich betrogen. Wenn mein Mann heute immer noch Schmerzen hat, gehe ich zum Stadtrichter und dann wird man Euch verbieten, weiterhin falsche Medizin zu verkaufen. Man wird Euch aus der Innung werfen.«
    Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Jemand brummte: »Eine Frau hat da ohnehin nichts verloren.«
    Jana sah in die Richtung, aus der diese Bemerkung gekommen war, aber sie kannte den Mann nicht, hatte ihn ganz sicher nie zuvor gesehen. Einige andere Gesichter kamen ihr bekannt vor. Es waren Menschen, denen sie bereits Medizin verkauft hatte. Von einigen wusste sie mit Sicherheit, dass sie ihnen geholfen hatte. Aber im Moment wurden ihr nicht Mitleid, Dankbarkeit oder Hilfe entgegengebracht, sondern Hass, Verachtung und Schadenfreude.
    Die Kesselflickerin setzte zu einem weiteren verbalen Angriff an, doch bevor sie den Mund öffnen konnte, trat ein hochgewachsener, schlanker

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