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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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diesem Zimmer gewesen. Die Sitzfläche, die Armlehnen und die Rückenpolsterung dominierte ein dunkles Blau. Der Rahmen war orange metallic lackiert. Die Antriebsräder standen leicht s chräg und entlang der Felge war eine dunkelgraue Kunststoffleiste angebracht. Ein Rollstuhl für Kinder. E r gehörte Patricia. Ich wusste es in dem Moment, als ich ihn sah. Und ich wusste auch, dass ich ihn schon zuvor gesehen hatte.
    In meiner Vision.
    Mit einer schreienden Patricia, die ihre Finger in die Armlehnen krallte.
    Ich schloss die Augen.
    »Warum hast du mir das angetan, Eddie?«, sagte Patricia. Leise. Vorwurfsvoll. Voller Enttäuschung. Ich erschrak und war mir einen Moment lang nicht sicher, ob sich diese Stimme in meinem Kopf befand oder i m Zimmer hallte. Ein Blick genügte, um es zu wissen. Patricia saß im Rollstuhl, starrte mich an. »Warum hast du mir das angetan, Eddie?«
    Ihre Augen standen unter Tränen. Das helle Blau um die Pupillen schien im Rot der untergehenden Sonne zu strahlen.
    Die eisige Kälte hatte meinen Hals erreicht. Mit jedem Atemzug stieß ich dampfende Luft aus. Wie glühender Nebel schwebte sie zur Zimmerdecke.
    »Warum hast du mir das angetan, Eddie?«
    Ich wollte antworten, aber die eisigen Nacktschnecken krochen in meinen Mund, in den Rachen, in den Hals. Ich sah Patricia vor Angst schreien, hörte die Spieluhr spielen. Ihr Gesicht wurde rasend schnell größer, als würde eine Kamera auf sie zu fahren. Das Fensterglas spiegelte die Silhouette eines springenden Wolfes.
    »Mister Reynolds!«
    Ich lag auf dem Boden, vor dem Fußende meine s Bett es . Cindy kniete neben mir. Sie presste einen Lappen gegen meine rechte Armbeuge. Schnell durchtränkte er sich mit Blut. Mein Ellbogen lag in einer roten Pfütze.
    Ich wusste nicht, was geschehen war, warum ich auf dem Boden lag und Blut aus meiner Armbeuge strömte. Ich musste auf gestanden sein, das Bewusstsein verloren und ein paar Schritte nach vorn gemacht haben. Dabei hatte ich mir offenbar die Kanüle aus der Armbeuge gezogen. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern, mein Bett verlassen zu haben. Ich erinnerte mich nur an Patricia. An ihr Gesicht, das rasend schnell größer wurde. Und an den Wolf im Fensterglas. Dafür gab es nur eine Erklärung: Ich hatte geträumt. Auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte, eingeschlafen zu sein.
    Ich blickte mich im Zimmer um und suchte nach dem Rollstuhl. Aber er war nicht da. Natürlich war er nicht da. Wie sollte er auch? All die Dinge waren nur Hirngespinste, ausgelöst durch dieses verfluchte Tagebuch.
    Erst jetzt spürte ich den Schmerz. Ein Ziehen in der Armbeuge und ein pochendes Hämmern in meinem Oberschenkel. Cindy wischte über meine Haut. Im Rhythmus meines Herzschlages rann Blut aus der Vene. Die Haut war gute drei Zentimeter aufgerissen, was den Eindruck vermittelte, der Kunststoffschlauch wäre nicht langsam herausgeglitten, sondern durch ein en plötzlichen Ruck herausgerissen worden. Allein die Vorstellung daran ließ d en Schmerz explodieren .
    »Was ist passiert?«, fragte Cindy, während sie die Wunde desinfizierte und einen Druckverband anlegte.
    Zuerst wollte ich ihr sagen, dass ich keine Ahnung hatte, hielt das dann aber für keine gute Idee. Cindy könnte annehmen, dass ich größere psychische Probleme hätte und möglicherweise in einer geschlossenen Anstalt besser aufgehoben wäre. Daher suchte ich n ach einer für Cindy plausiblen Erklärung.
    »Ich musste auf die Toilette«, log ich. »Die Flasche ist voll. Daher bin ich aufgestanden und da muss ich wohl umgekippt sein .«
    Noch während ich sprach, fiel mir auf, dass Cindy ihr Lächeln zurückgewonnen hatte. Auch wenn es nicht so herzhaft war, wie vor dem Tod meines Bettnach barn, war es eindeutig da und e s stand ihr gut.
    »Läuten«, sagte sie nur und nickte zu meinem Bett. »Sie können noch nicht aufstehen. Ist noch zu früh .«
    Ich nickte und war froh, dass Cindy nicht weiter nachfragte. D er Schmerz im Oberschenkel nahm rasch zu und die Vorstellung, dass ich aufstehen und die paar Meter gehen musste, war überaus grässlich.
    Cindy hatte den Druckverband fertig. »Na, dann wollen wir mal«, sagte sie, stand auf und verließ mit einem »Bin gleich wieder da« das Zimmer. Ich nahm an, dass sie einen der Krankenpfleger holen würde , um mich mit seiner Hilfe in das Bett zurückzubringen.
    Die Abenddämmerung war angebrochen. Während ich die Wolken betrachtete, die in einem purpurnen Rot langsam am Fenster

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