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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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vorbeizogen, fiel mir die Stille auf. Ich wusste nicht, ob sie plötzlich eingesetzt hatte, oder sie mir in diesem Augenblick erst bewusst wurde. Vielleicht lag es auch am Geräusch von rollenden Reifen auf einem Linoleumboden, das mir das Gefühl gab, es musste außergewöhnlich still sein, um es hören zu können. Es wurde lauter und ich wusste sofort, was dieses Geräusch verursachte.
    Ein Rollstuhl, der in diesem Moment in der Tür sichtbar wurde.
    Obwohl ich damit gerechnet hatte, erschrak ich. Erst als ich bemerkte, dass der Rollstuhl leer war und keine Ähnlichkeit mit Patricias Rollstuhl hatte, begann mein Puls sich zu beruhigen.
    Cindy schob den Rollstuhl in das Zimmer und stellte ihn hinter mich. Ich hörte ein metallisches Klacken und spürte Cindys Hände unter meinen Achseln.
    »So, Mister Reynolds. Jetzt müssen Sie mir helfen.«
    Noch bevor ich antworten konnte, wuchtete Cindy mich hoch.
    Der Schmerz war augenblicklich da. Wie ein glühender Draht schnitt er durch meinen Schenkel und erfasste den gesamten Unterleib. Hätte er mir nicht den Atem geraubt – ich hätte gebrüllt wie ein Schwein im Schlachthaus .
    Der Schmerz tauchte das Zimmer in ein blutiges Rot. Ich versuchte, Cindys Arme von meiner Brust zu lösen, aber die Umklammerung war zu kräftig. Als ich schließlich zu wimmern anfing, saß ich bereits im Rollstuhl.
    »Geschafft!«, rief Cindy und tätschelte meine Schultern. »Tapferer Bursche.«
    Mein Atem ging schnell, das Herz pochte in den Schläfen. Das metallene Klacken erschreckte mich, und noch bevor ich eine Erklärung finden konnte, wo es herrührte, schob Cindy mich in Richtung Bett.
    War es Intuition? Oder ein Geräusch vom Gang? Keine Ahnung. Ich blickte zur offenen Zimmertür und hätte schwören können, dass ein blondes Mädchen in einem Rollstuhl auf dem Gang vorbeifuhr. Es blickte mich an. Vorwurfsvoll und voller Hass. Die Lippen bewegten sich.
    »So, und nun ins Bett mit Ihnen«, sagte Cindy. Sie zog mich aus dem Rollstuhl und hievte mich auf die Matratze. Diesmal war der Schmerz erträglich gewesen.
    Während Cindy mir eine neue Kanüle setzte, sprach sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Und dass Sie mir diesmal liegen bleiben.«
    Ich nickte, war mit meinen Gedanken jedoch bei Patricia. Ich spürte Gänsehaut auf meinen Unterarmen, als mir klar wurde, was sie mir vom Gang aus zugeflüstert hatte. Der Schmerz der Nadel – jetzt in meinem linken Arm – zeigte mir, dass ich nicht träumte. Alles war real. Das Zimmer, Cindy, die Schmerzen – und Patricia. Sie war hier. Die ganze Zeit. Und immer wieder fragte sie mich die gleiche Frage: »Warum hast du mir das angetan, Eddie?«
    Ich wollte laut aufschreien, als Cindy das Zimmer verließ und mir sagte, ich solle gut schlafen. Doch es war zu spät. Vermutlich hatte sie mir ein Schlafmittel an gehängt. Denn ohne es zu wollen, senkten sich meine Augenlider und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

11
     
    Die Schaufel stach in nasse Erde. Ein schleifendes Geräusch begleitete sie, als würde der Stahl an Felsen kratzen. Aber da war kein Felsen. Nur Erde. Lockere , nasse Erde. Der Geruch von Moder und Fäulnis hüllte mich ein. Ich hielt kurz inne, um Luft zu holen.
    Ich befand mich im Wohnzimmer meiner Eltern. Im Schein der Taschenlampe warf mein kleiner Körper einen langen Schatten an die felsige Wand. Dunkelroter Schlamm tropfte mit lautem Platschen auf den Dielenboden. Zumindest meinte ich, dass es Schlamm war. Was sonst sollte durch die Spalten der schwarzen Steine hervorquellen? Auch wenn es im Licht der Lampe den Anschein hatte, dass es sich um Fleischklumpen handelte und die Flüssigkeit, die an den Steinen entlang rann, Blut wäre. Nein. Kein Fleisch. Kein Blut. Schlamm.
    Wieder stach ich in die dunkelrote Erde. Wieder dieses Kratzen, das sich mit jedem weiteren Schaufelstich zu einem schmerzhaften Stöhnen veränderte.
    Das Loch füllte sich mit rotgefärbtem Wasser. Warm umspülte es meine nackten Füße und stieg langsam an. Ich konnte nicht aufhören. Ich musste graben. Auch wenn ich nicht wusste, wonach ich suchte.
    Endlich stieß ich auf einen Widerstand. Eine Holzplatte. Mit morschem Knirschen durchbrach der Stahl das Holz und mit leisem Glucksen versiegte das Wasser. Ich entfernte den letzten Rest Erde und warf die Bretter einzeln aus dem Loch. Es war nicht besonders groß. Vielleicht einen Meter lang, einen halben breit und drei Fuß tief. Es erinnerte mich an etwas, aber ich wusste nicht , woran. Erst als ich das

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