Das Tartarus-Orakel
dass dies eindeutig beabsichtigt war.
Blut, Knochen und Hirnmasse waren auf del Pieros Gesicht gespritzt.
In diesem Moment rückte die 1000 Mann starke amerikanische Truppe vor, die in den Lehmziegelhäusern und Abwasserschächten von Luxor hinter den Europäern auf der Lauer gelegen hatte.
Sie waren gnadenlos, unbarmherzig – ebenso unbarmherzig, wie die Europäer zu den Amerikanern gewesen waren. Selbst die europäischen Soldaten, die sich ergaben, wurden auf der Stelle exekutiert.
Niemand wurde am Leben gelassen – mit Ausnahme von del Piero und den vier anderen, die im Land Cruiser gesessen hatten:
Wizard, Zoe, Fuzzy und der Junge, Alexander.
Kurze Zeit darauf traf die eigentliche Transportflotte der Amerikaner in Luxor ein.
Die erste war nur ein Köder gewesen, um die auf der Lauer liegende europäische Streitmacht herauszulocken.
Jetzt, da der Flughafen gesichert war, traf Judah in einem zweiten Lear Jet ein, flankiert von zwei F-15 und mit nicht weniger als sechs schweren Hercules-Transportern im Gefolge.
Ihre Landescheinwerfer drangen gleißend durch die klare Nacht, als eine Maschine nach der anderen aufsetzte.
Judahs Jet drehte bei und hielt neben dem ersten Lear …
… wo del Piero stand, wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb, von amerikanischen CIEF-Männern in Schach gehalten und von den blutigen Leichen seiner Männer umgeben.
Lässig stieg Judah aus seinem Privatjet, musterte del Piero mit kühlem Blick und deutete mit einem kurzen Kopfnicken auf das blutige Gesicht des Priesters.
»Pater del Piero. Mein alter Lehrer. Schön, Sie wieder zu sehen. Sie haben meine Warnung nicht beachtet. Ich habe Ihnen doch mitgeteilt, dass Sie vor Blutspritzern auf der Hut sein sollen.«
Del Piero sagte nichts.
In diesem Augenblick tauchte eine Gestalt hinter Judah auf, ein uralter Mann, krumm und bucklig, der kahle Schädel mit Altersflecken übersät. Er trug einen Ledermantel und eine Brille mit dicken Gläsern, durch die seine boshaften kleinen Augen verzerrt wurden.
»Pater«, sagte Judah, »ich glaube, Sie kennen Hans Koenig noch nicht. Er ist seit 1945 zu Gast in den Vereinigten Staaten und sucht den Schlussstein schon seit langer Zeit.«
Del Piero keuchte auf. »Koenig und Hessler. Die zwei Nazi-Forscher …«
»Colonel Judah!«, rief Cal Kallis vom Heck des Land Cruisers aus. Er stand neben der Heckklappe des Geländewagens und hatte soeben die dort verstaute Stahltruhe geöffnet, in der sich das Stück vom Artemistempel befand. »Wir haben das Stück der Europäer. Außerdem haben wir den Jungen … und ein paar von Wests Leuten.«
Kallis hob Alexander hoch. Seine Männer hielten Wizard, Zoe und Fuzzy in Schach, die mit Handschellen gefesselt waren.
Judah grinste. »Oh, Pater del Piero, wozu haben Sie denn diese Leute auch mitgenommen? Ich könnte mir vorstellen, aus dem gleichen Grund, aus dem ich Sie bei mir behalten werden.«
Del Piero riss die Augen vor Angst weit auf.
Judah genoss es. »Wie heißt es doch in der Bibel? Alles, was ihr für euch von Menschen erwartet, das tut ihnen auch. Wie komisch.«
Er betrachtete den Jungen. Koenig ebenfalls.
»Das ist er also. Der Sohn des Orakels. Alexander, glaube ich.« Judah verbeugte sich voller Respekt. »Ich bin Marshall Judah von den Streitkräften der Vereinigten Staaten. Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen.«
Der Junge erwiderte seinen Blick ruhig, ohne jede Furcht, sagte aber nichts.
»Außerdem freue ich mich, dir deine Schwester vor zu stellen«, sagte Judah.
Mit diesen Worten trat er beiseite, und hinter ihm kam Lily zum Vorschein, die mit nervös gekreuzten Beinen dastand, den Kopf gesenkt.
Im Morgengrauen hing dichter Bodennebel über Luxor.
Ein Konvoi aus schweren Fahrzeugen tastete sich im Scheinwerferlicht durch den unnatürlichen Dunst.
Es war die amerikanische Streitmacht, die zum Tempel von Luxor unterwegs war.
Der Tempel befand sich am Ufer des Nils. Das mächtige Pylonentor wurde von zwei auf Thronstühlen sitzenden Kolossalstatuen von Ramses II. bewacht, und davor ragte der Obelisk auf, dessen Gegenstück in Paris stand.
Der Konvoi der Amerikaner bestand aus Humvees, Jeeps, Motorrädern, einem Apache-Hubschrauber, der über ihnen schwebte, und einem Tieflader mit einem zusammengelegten Kran, der in der Mitte fuhr.
Am Tempel angekommen, bauten die Amerikaner im gleißenden Lichtschein ihrer Strahler den Kran neben dem Obelisken auf, genau an der Stelle, an der einst der andere Obelisk
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