Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
Tod von Siebo Manninga und Tammo Freerksen wissen.“
Hermine Sanders, die sich gerade
von ihrem Stuhl erhoben hatte, um sich zu den Stellwänden zu begeben, stockte
in ihrer Bewegung und wurde, wie Büttner wahrzunehmen meinte, um eine Spur
blasser. „Was wissen Sie über Siebo und Tammo?“, presste sie dann heiser
hervor.
„Sie haben die beiden also
gekannt?“
„Ja, sicher habe ich sie gekannt,
Tammo war schließlich mein Cousin.“
Büttner sog hörbar die Luft ein.
„Sie waren mit Tammo Freerksen verwandt? Hatten Sie ein enges Verhältnis zu
ihm?“
„Ja. Unsere Mütter waren
Schwestern. Tammo und ich und unsere anderen Brüder und Schwestern waren wie
Geschwister. Unsere Väter sind früh gestorben. Unsere Mütter sind dann mit
ihrer Kinderschar zusammengezogen, um sich gegenseitig zu unterstützen.“
Hauptkommissar Büttner nickte. Er
war verwundert, wie zivilisiert sich die alte Frau plötzlich ausdrücken konnte.
Sie machte auf ihn nun gar keinen primitiven Eindruck mehr, sondern er war sich
sicher, dass sie eigentlich eine ganz intelligente Frau war. Eine Frau, die
vermutlich nur durch die unglücklichen Umstände, in der sie nach der Geburt
ihres unehelichen Sohnes ihr Leben verbringen musste, zu der keifenden Alten
geworden war, als die sie sich ihnen bei ihren ersten Begegnungen präsentiert
hatte.
„Dann muss Ihnen der brutale Tod
von Tammo sehr weh getan haben“, hakte nun Hasenkrug nach.
„Ja. Es war furchtbar.“ Hermine
Sanders schüttelte langsam den Kopf und ließ sich schwer wieder auf ihren Stuhl
fallen. Sie kramte eine Tüte Karamellbonbons aus der Tasche und schob sich
einen in den Mund. Büttner sah sie neidisch an. Er hätte auch gerne einen
Bonbon gehabt, fand es aber unangemessen, danach zu fragen. Und Hermine Sanders
machte zu seinem Bedauern keine Anstalten, ihm einen anzubieten. „Aber am
schlimmsten war es damals für Fenna“, fuhr die alte Frau schmatzend fort. „Sie
und Tammo waren so verliebt. Sie standen kurz vor Hochzeit damals. Fenna war danach
nicht mehr die alte. Es war, als hätte sie selbst mit dem Leben abgeschlossen.“
„Sie hat dann Lübbo Krayenborg
geheiratet.“
„Ja“, bestätigte Hermine Sanders,
und ein Schatten fiel über ihr Gesicht. „Lübbo war schon immer scharf auf Fenna
gewesen. Ständig hat er ihr den Hof gemacht. Es war ... widerlich.“ Das letzte
Wort spuckte sie förmlich aus, so, als hätte sie soeben etwas Ungenießbares
gegessen.
„Kann es sein, dass Sie damals
selber in Lübbo verliebt waren?“, wagte Büttner einen Schuss ins Blaue.
Hermine Sanders wandte sich dem
Hauptkommissar zu und sah ihn lange an. „Ja“, sagte sie dann mit belegter
Stimme, „Lübbo und ich waren ein Paar damals.“
„Sieh an“, meldete sich Hasenkrug
zu Wort, „dann müssen Sie ja ziemlich verärgert darüber gewesen sein, dass
Lübbo Fenna ständig den Hof machte.“
„Natürlich hat mich das geärgert.
Aber ich hab nicht gedacht, dass er es so ernst meint. Ich dachte, er will nur
... na, Sie wissen schon. Außerdem drohte ja keine Gefahr. Wie gesagt, Fenna
hatte ja nur Augen für Tammo.“
„Dann aber war Tammo tot und
Lübbo hat seine Chance gewittert. Und er hatte Erfolg. Fenna hat ihn
geheiratet.“
„Ja, sie hat ihn geheiratet“,
sagte Hermine Sanders kaum hörbar.
„Aber sie ist nicht glücklich mit
ihm geworden“, stellte Hasenkrug fest.
„Nein.“
„Das muss für Sie doch eine wahre
Genugtuung gewesen sein.“
„Für mich? Pah!“ Plötzlich kehrte
Hermine Sanders wieder zu ihrem altbekannten Temperament zurück und richtete
sich kerzengerade auf. „Was wissen denn Sie, Herr Kommissar!“, plärrte sie Büttner
an, fiel aber dann so plötzlich wieder in sich zusammen, als hätte jemand die
Luft aus ihr herausgelassen. „Der Tod von Tammo und Siebo hat uns alle
unglücklich gemacht“, sagte sie kläglich. „Ja, er hat uns alle unglücklich
gemacht.“
„Was meinen Sie damit?“, hakte
Büttner nach.
Hermine Sanders schien zunächst
nicht antworten zu wollen, sondern starrte minutenlang nur auf ihre Füße.
Gerade, als Hasenkrug etwas sagen wollte, begann sie jedoch wieder zu reden.
„Fenna hat Lübbo nicht aus Liebe geheiratet. Sie ...“
„... liebte nur ihren Tammo, ja,
das wissen wir inzwischen“, sagte Hasenkrug entnervt, zuckte aber gleich darauf
zusammen, weil sein Chef eine unmissverständliche Geste in seine Richtung
machte, die ihm bedeutete, dass er gerade mit seinem Leben spielte.
Zum Glück
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