Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
sie, und sie wagte nicht weiterzufragen. Wenn Mabel ihr etwas anvertrauen wollte, so würde sie gewiss einen ruhigeren Augenblick abwarten und unter vier Augen mit ihr reden.
»Du hast den Glockengießer tatsächlich geheiratet«, stellte Mabel kurz darauf fest, vermutlich um das Schweigen zu brechen, und lächelte. »Dann haben sich deine Träume also erfüllt?«
Nun war es Catlin, die rot anlief. »Es ist so viel geschehen …«, murmelte sie ausweichend. Auch sie hatte der Freundin einiges zu erzählen. Vielleicht, so hoffte sie, bot sich am Abend während der Rast Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch.
Das Auge sieht den Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit
Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
Bei St. Edmundsbury, Dezember 1228
A ls eine stattliche Reiterschar in den Hof einritt, war Alan gerade auf dem Weg zum Haus. Er hatte sein Tagwerk beendet und wie üblich als Letzter die Werkstatt verlassen. Als er das Wappen Seiner Majestät erkannte, runzelte er die Stirn. Ob einer der königlichen Ritter wünschte, noch rasch sein Schwert richten zu lassen? Je höherrangig ein Adliger war, desto eher erwartete er, dass man ihm ohne Murren zu Diensten war, wann auch immer er es verlangte. Alan schmunzelte. Er wusste, dass seine Arbeit geschätzt wurde, und hatte weder sich noch anderen etwas zu beweisen. Also schwenkte er um und ging statt auf das Haus auf die Ankömmlinge zu.
»Sir Richard!«, freute er sich, als er den Neffen des Schmiedes erkannte. »Seid auf das Herzlichste willkommen!«
»Alan, mein Freund, wie geht es dir? Und mein Onkel – sag mir, ist er wohlauf?«
»Er hat wieder einmal zu lange am Amboss gestanden, darum schmerzt sein Rücken, aber er ist gesund.« Alan strahlte über das ganze Gesicht. »Bleibt Ihr über Nacht? Mehrere Tage, vielleicht gar über das Christfest?« Er formte die Hände zu einem Trichter und legte sie an den Mund. »Elfreda! Winnie!«, rief er, dann wandte er sich um. »Begleitet mich ins Haus, Sir Richard! Euer Onkel wird außer sich vor Freude sein.«
Richard gab einem seiner Begleiter einen Wink. »Bringt Mistress Mabel nach Hause, und sucht Euch ein Gasthaus!«, befahl er. »Ich bleibe mit Milo hier«, fuhr er fort und verabschiedete sich von einer jungen Dame. »Alles Weitere besprechen wir morgen.« Er nickte, als sein Gefolge die Pferde wendete und davonsprengte. Eine weitere junge Frau und ein Junge aber blieben nicht weit von Sir Richard entfernt auf ihren Pferden sitzen, ohne sich zu rühren.
Die Frau blickte sich neugierig um. »Hat sich nicht viel verändert hier«, sagte sie zufrieden zu dem Jungen neben sich, dann zog sie die Brauen zusammen. »Bones?«, fragte sie ungläubig, als ihr ein Hund schwanzwedelnd und bellend entgegenlief.
»Nein, Bones lebt schon lange nicht mehr, das ist Hunter, sein Sohn«, erklärte Richard.
»Sein Sohn?« Sie sah ihn fragend an.
»Ich war in letzter Zeit recht häufig hier.« Richard glitt vom Pferd und begrüßte den Hund wie einen lieben Freund. »Einmal hatte ich meine Meute dabei, und eine meiner Hündinnen ließ sich unbemerkt von Bones decken.« Er schüttelte tadelnd den Kopf und seufzte schmunzelnd. »Hunter war der Einzige aus jenem Wurf, der seinem Vater ähnelte, darum habe ich ihn Onkel Henry mitgebracht. Ein Jahr haben er und Bones noch gemeinsam den Hof bewacht.«
Alan ahnte bereits, wer die junge Frau war, und starrte sie mit ungläubig geöffnetem Mund an.
»Catlin!«, rief jemand und bestätigte seinen Verdacht. Es war Winnifred, die aus dem Haus heraus in den Hof stürmte und mit ausgebreiteten Armen auf die junge Begleiterin von Sir Richard zulief. »Meister, schnell, kommt nach draußen, es ist Catlin! Catlin ist zurückgekehrt!«, rief sie lauthals.
Alan runzelte die Stirn, als Henry in den Hof kam, so schnell ihn die müden Beine trugen. Kein Wort des Vorwurfes kam ihm über die Lippen, als er seine Tochter in die Arme schloss, nachdem sie vom Pferd gestiegen war. Tränen rannen über das Gesicht des Meisters, und seine Schultern bebten.
Alan wusste, wie sehr er seine Tochter vermisst hatte, und erinnerte sich an die Scham, die der Ärmste empfunden hatte, weil sie vor dem Sohn seines besten Freundes davongelaufen war. Plötzlich stieg Wut in ihm auf. Was bildete die dumme Gans sich ein? Dass sie einfach so zurückkommen konnte? Womöglich gar für immer? Wenn sie gedachte, ihren alten Platz einzunehmen, und etwa hoffte, dass er sie doch noch heiratete, nur um die
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