Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
ja? Wann genau?«
»Die ganze Zeit!«
»Soweit ich das beurteilen kann, würde sie nicht im Traum daran denken, dir ihre Meinung aufzuzwingen. Das ist wirklich etwas, was du ihr nicht vorwerfen kannst: dass sie dir sagen würde, was du tun oder denken sollst. Sie respektiert deine Unabhängigkeit. Und das ist sehr ungewöhnlich für eine Mutter. Du hast keine Ahnung, wie glücklich du dich schätzen kannst.«
Ich wandte mich wieder ab und sah dem Wasser zu, das in der Flasche langsam höher stieg. Ich fand, das war typisch Ellie, die Situation so zu verdrehen, dass sie schließlich auf ihre traumatische Kindheit zu sprechen kam. »Du hast überhaupt keine Ahnung, wovon du redest«, sagte ich zu ihr.
Schweigend traten wir den Rückweg an.
Meinen halbjährlichen Gesundheitscheck bei Dr. Enderby nahm ich zum Anlass, ihm von Mr. Peterson zu erzählen. Eigentlich hatte ich gar nichts erzählen wollen, aber ich hatte das Gefühl, dass mir keine andere Wahl blieb. Ansonsten würden sich die Dinge immer weiter im Kreis drehen.
Dr. Enderby hörte mir schweigend zu, während ich ihm von unserem Termin im Krankenhaus und der falschen Diagnose berichtete. Er schaute mich nur ganz ruhig an und gab mir die Gelegenheit, die Tatsachen von Anfang bis Ende auf den Tisch zu legen. Ich fand, es war gut, dass er so gelassen und vernünftig auf das reagierte, was ich ihm zu sagen hatte. Er würde mich nicht unterbrechen und mir keine Frage stellen, bis er nicht alles gehört hatte. Dann konnte er die Sache in Angriff nehmen und ins Reine bringen. Ein paar Telefonanrufe, eine richtige Auswertung der Testergebnisse, und mit ein bisschen Glück würde der Spuk in wenigen Tagen vorbei sein, wenn nicht gar in Stunden.
Aber als ich fertig war mit meinen Ausführungen, schaute er mich einfach nur weiter an, ohne seine Haltung zu ändern. Dann sagte er: »Alex, du weißt, dass du mir das nicht erzählen dürftest, nicht wahr? Jemandes Vertrauen zu missbrauchen ist eine ernste Sache.«
Ich merkte, dass ich rot wurde. »Ja, ich weiß«, gab ich zu. »Mr. Peterson wollte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Er ist so furchtbar stur in dieser Angelegenheit.«
»Ich kann verstehen, dass du sehr aufgeregt bist«, sagte Dr. Enderby. »Und ich zweifle nicht daran, dass du mit den besten Absichten handelst. Aber in diesen Angelegenheiten muss man die Wünsche des anderen respektieren. Du solltest Isaac nicht zwingen, einen Weg zu gehen, den er nicht gehen will – besonders in einer Zeit wie dieser, wo er gewiss das Gefühl hat, dass ihm kaum noch Alternativen bleiben. Ich finde, du bist durchaus in der Lage, das zu begreifen, genauso gut wie jeder andere.«
»Ich verstehe es ja. Natürlich verstehe ich es. Aber das hier sind doch ganz besondere Umstände.«
Dr. Enderby schaute mich nach wie vor einfach nur an. Etwas in mir machte »Klick«.
»Sie wussten schon Bescheid!«, sagte ich.
»Ja«, nickte Dr. Enderby. »Schon eine ganze Weile.«
»Ich denke nicht, dass Dr. Bradshaw das Recht hatte, es Ihnen zu sagen.«
»Das hatte er nicht, und er hat es auch nicht getan. Isaac hat mich angerufen, kurz nachdem er die Diagnose bekam. Und seitdem haben wir noch ein paar Mal miteinander gesprochen.«
Ich empfand eine unbändige Erleichterung. »Also ist es okay? Ich weiß, ich hätte mich nicht einmischen sollen, aber ich hatte so meine Zweifel, ob er das allein hinkriegen würde. Aber jetzt ist alles gut. Sie wissen Bescheid, und Sie kümmern sich darum. Werden Sie neue Untersuchungen machen? Oder dürfen Sie darüber nicht reden? Ich würde verstehen, wenn es so wäre.«
»Alex«, sagte Dr. Enderby. »Es wird keine neuen Untersuchungen geben. Das ist nicht nötig. Dr. Bradshaw weiß genau, wovon er redet. Er ist ein Experte auf diesem Gebiet.«
»Ja, natürlich. Ich will seine Fähigkeiten ja auch gar nicht anzweifeln. Aber Fehldiagnosen passieren schon mal. Ich weiß, dass es nicht oft vorkommt, aber hin und wieder. Ich habe im Internet nachgeschaut, und …«
»Alex, hör mir jetzt bitte zu. Die Diagnose ist korrekt. Daran wird sich nichts ändern. Es tut mir leid. Ich wünschte, es gäbe eine freundliche Art, es zu sagen. Aber die gibt es nicht.«
Ich starrte ihn an. Ich fühlte ein merkwürdiges, unkontrollierbares Zittern in meinem Kinn.
»Was du empfindest, ist völlig normal«, fuhr Dr. Enderby fort. »Aber das kann nicht ewig so weitergehen. Du musst die Realität akzeptieren.
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