Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
Vom Netzwerk:
während ich zögerlich all die Einzelheiten über die unfähigen Ärzte und die gefühllosen Krankenschwestern vorlas. Erst als ich an die Stelle kam, wo der Texaner über »Nigger« redet – »Nigger dürfen hier nicht rein. Nigger bringen sie woanders hin« –, hielt sie mit ihrer Tätigkeit inne und hob die Augenbrauen.
    »Das geht schon in Ordnung«, versicherte ich ihr, »das ist eine Satire.«
    »Es gehört zur Figur«, erklärte Mr. Peterson.
    »Richtig«, sagte ich, »aber er erlaubt mir nicht, den Akzent nachzumachen, sonst wäre es vielleicht gleich deutlich geworden.«
    »Es ist mir egal, wozu oder wohin es gehört«, sagte Schwester Holloway. »Jedenfalls nicht hier auf die Station.«
    »Oh doch, genau hier gehört es hin«, sagte Mr. Peterson streitlustig.
    »Nicht, wenn es die anderen Patienten vor den Kopf stoßen oder aufregen könnte«, gab Schwester Holloway zurück.
    »Wer regt sich denn auf?«, fragte Mr. Peterson und deutete zu seinen Zimmergenossen. »Der Katatoniker? Oder Graf Tolstoi da drüben?«
    Der Katatoniker rührte sich nicht. Graf Tolstoi schrieb unbeeindruckt weiter. Schwester Holloway stemmte die Hände in die Hüften und sagte: »Ich möchte lediglich um etwas Rücksichtnahme bitten. Können Sie nicht wenigstens etwas leiser lesen?«
    Mr. Peterson schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Das Prozac scheint mein Gehör zu beeinträchtigen.«
    »Ich werde Dr. Bedford Bescheid sagen, sobald ich kann.«
    »Ich will Dr. Bedford nicht sehen. Wenn Dr. Bedford etwas für mich tun will, dann soll er Anweisung geben, dass ich die verdammten Tabletten nicht mehr schlucken muss.«
    »Vielleicht könnte ich die Wörter, die auf einer Krankenstation nicht angebracht sind, zensieren«, schlug ich vor. »Sie wissen schon – einfach den ersten Buchstaben sagen, N für Nigger oder S für Scheiße oder Huso für … na, Sie wissen schon.«
    »Noch gibt es keine Husos«, sagte Mr. Peterson wütend. »Dafür ist es noch zu früh.«
    »Es ist für all das zu früh«, sagte Schwester Holloway. »Noch einmal: Ich bitte Sie um ein bisschen Rücksichtnahme.«
    Und so fuhr ich leise und ohne Akzent mit Catch-22 fort, wobei ich die Schimpfwörter und die Flüche zensierte. Glücklicherweise gab es davon nicht allzu viele, sodass Mr. Peterson sich nicht allzu oft ärgern musste – oder vielleicht ärgerte er sich auch überhaupt nicht. Er schien mir eher leicht belustigt zu sein. Aber das war schwer zu beurteilen. Er lag ganz still mit geschlossenen Augen da, während ich mich durch das erste Kapitel arbeitete. Als ich fertig war, sagte er kein Wort, und so las ich nach einem Schluck Cola light einfach weiter.
    Erst nachdem ich das dritte Kapitel beendet hatte, sprach ich das Thema an, das mich seit einiger Zeit beschäftigte. Es war etwas, worüber Mr. Peterson und ich einige Tage lang nicht gesprochen hatten – seit dem Besuch von Dr. Bedford. Ich glaube, wir hatten einen Bogen darum gemacht, weil der Waffenstillstand, den wir geschlossen hatten, immer noch auf wackeligen Füßen stand. Ich hatte keine Lust, wieder einen Streit vom Zaun zu brechen. Aber nachdem ich die letzte halbe Stunde laut vorgelesen hatte, während Mr. Peterson seine Augen hatte ausruhen können, dachte ich, dass ich wohl nicht so schnell einen geeigneteren Moment finden würde.
    »Mr. Peterson«, begann ich vorsichtig. Dann schwieg ich. Mir wurde klar, dass es keine passende Art gab zu sagen, was ich sagen wollte. Ich ging in Gedanken mehrere Versionen durch und entschied mich dann für schlichte Offenheit. »Mr. Peterson, Sie kommen mir nicht besonders depressiv vor. Jedenfalls nicht mehr.«
    Mr. Peterson riss die Augen auf. »Ich war zu keinem Zeitpunkt depressiv, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Depressiv ist nicht das richtige Wort für das, was ich war – und noch bin. Es ist nur ein Etikett, das mir von einem Irrenarzt mit zu vielen Diplomen und zu wenig gesundem Menschenverstand aufgeklebt wurde.«
    »Aber Sie sind … na ja, Sie wissen schon. Wenn man Sie hier rauslassen würde, dann würden Sie wieder … Ich meine, Sie wollen immer noch …«
    Mr. Peterson hatte genug von meinem Gestammel. »Himmel noch mal, Junge, spuck’s aus!«
    »Sie wollen immer noch sterben«, platzte ich heraus.
    Mr. Peterson schloss die Augen wieder. Es dauerte eine ganze Weile, bis er antwortete, und als er sprach, war seine Stimme nicht wirklich kalt, aber sie hatte eine gewisse Spannung, als ob er versuchen würde, mit zwei

Weitere Kostenlose Bücher