Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
geschrieben, dass er friedlich und würdevoll sterben möchte, was vermutlich auf jeden Menschen zutrifft.
7.Aber er hat bewiesen, dass es nicht so einfach ist. Selbstmord ist weder friedlich noch würdevoll. Es ist unzuverlässig und schmutzig.
Ich betrachtete die Liste eine Zeit lang und fügte dann einen achten Punkt hinzu:
8.Er will das Recht haben, über sein Leben selbst zu entscheiden.
Nach einer Weile strich ich diesen Punkt durch und schrieb ihn neu:
8.Er sollte das Recht haben, über sein Leben selbst zu entscheiden.
Das war das Zweitschwierigste, was ich je zu Papier bringen musste.
Ich ließ zwei oder drei Tage verstreichen, bevor ich die Liste mit Mr. Peterson durchging. Ich musste die Punkte zunächst für mich selbst akzeptieren und verinnerlichen, damit ich für das Gespräch gewappnet war. Für Zweifel durfte es keinen Raum geben. Meine Argumente mussten wasserdicht sein, und ich musste sie mit hundertprozentiger Überzeugung an den Mann bringen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Ich wartete, bis es auf der Station ganz ruhig war, sodass wir nicht gestört werden würden, und ich sprach so leise, dass weder Graf Tolstoi noch der Katatoniker hören konnten, was wir beredeten.
Ich erklärte Mr. Peterson, dass ich ihm ein paar Dinge sagen müsse und dass er mich nur dann unterbrechen solle, wenn ihm irgendetwas daran nicht korrekt erscheine. Daraufhin legte ich ihm die Fakten dar, die Punkte 1 bis 7, genauso, wie ich sie aufgeschrieben hatte. Die gründliche Vorbereitung zahlte sich aus: Ich war in der Lage, klar und ruhig zu sprechen, ohne zu stottern oder zu zögern. Ich wusste, dass sich ansonsten meine Gefühle gegen mich gewandt hätten. Denn für das, was jetzt kam, musste Mr. Peterson davon überzeugt sein, dass jeder Punkt fest in meinem Kopf und meinem Herzen verankert war.
Er unterbrach mich kein einziges Mal. Ich hatte auch nicht damit gerechnet. Ich wusste, in welchem Moment er anfangen würde zu reden, nämlich nachdem ich Punkt 8 zur Sprache gebracht hatte: Sie sollten das Recht haben, über Ihr Leben selbst zu entscheiden . Ich fügte eine Ergänzung hinzu:
»Und wie immer diese Entscheidung auch aussehen mag, ich werde Sie darin unterstützen. Wenn die Zeit kommt, wenn Sie nicht mehr länger leben wollen – wenn es so weit ist, will ich Ihnen beim Sterben helfen.«
Ich möchte nicht, dass Sie schlecht über Mr. Peterson denken. Seien Sie versichert: Er unternahm jede nur denkbare Anstrengung, um mir die Idee augenblicklich auszureden. Mein Vorschlag entsetzte ihn, wie ich es nicht anders erwartet hatte. Aber diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Über die Fakten waren wir uns einig; sie ließen sich nicht leugnen. Er brauchte meine Hilfe. Und was die nun folgende Diskussion anging: Ich hatte Zeit und Gelegenheit gehabt, mir meine Argumente zurechtzulegen und sie auswendig zu lernen. Er nicht.
Er redete mindestens zehn Minuten auf mich ein, aber was er sagte, war mehr oder weniger unerheblich – es war ein sich wiederholendes, unzusammenhängendes Gepolter darüber, wie sehr ich seinen Wunsch missverstanden habe, dass ich wohl nicht richtig nachgedacht habe, und wie absolut lächerlich dieser Gedanke sei … und so weiter und so fort.
Ich wartete, bis ihm die Puste ausging, und dann sagte ich: »Ich kann Ihnen versichern, dass ich darüber nachgedacht habe, und zwar sehr gründlich. Ich habe tagelang darüber nachgedacht. Wenn irgendetwas an den Fakten, die ich Ihnen genannt habe, falsch ist, dann korrigieren Sie mich bitte. Wenn Sie sich nicht mehr an die genannten Fakten erinnern, dann werde ich sie gerne wiederholen.«
Mr. Peterson sagte, ich solle die verdammten Fakten vergessen. Die spielten keine Rolle mehr. »Hier ist nur eine einzige Tatsache relevant«, sagte er, »nämlich dass ich mir nicht von dir helfen lassen kann. Nicht auf diese Weise.«
Ich wartete eine Weile, um ganz sicherzugehen, dass er mich hörte und verstand.
»Um genau zu sein, ist das nicht Ihre Entscheidung«, sagte ich. »Sie denken, dass Ihnen erlaubt sein sollte, Herr über Ihr eigenes Schicksal zu sein, und da stimme ich Ihnen zu. Hundertprozentig. Ich verlange nur, dass Sie mir das gleiche Privileg zugestehen. Ich habe eine Entscheidung getroffen, basierend auf dem, was ich für richtig halte – basierend auf meinem Gewissen. Mir das zu nehmen, wäre unverzeihlich. Wenn Sie mich auch nur ein bisschen respektieren, dann müssen Sie mir diese Wahl lassen.«
Ich weiß nicht, wie viel
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