Das Unsterblichkeitsprogramm
hinaus, das etwa zehn Meter tiefer lag. Bis zur Straße war es noch ein gutes Stück weiter. Ganz oben schirmte ein vorspringender pagodenartiger Aufbau das Dach und die Straße ab. Nach kurzer Überlegung drückte ich die letzte von Trepps Katerpillen aus der Folie und schluckte sie.
Dann öffnete ich das Fenster so leise wie möglich, kletterte hinaus und ließ mich hinunter, bis ich nur noch mit den Fingern am Fensterstock hing. Selbst völlig ausgestreckt hatte ich immer noch gute acht Meter unter mir.
So simpel wie möglich. Es ging kaum simpler, als mitten in der Nacht durch ein Hotelfenster auszusteigen.
Ich hoffte, dass das Dach so stabil war, wie es aussah, und ließ los.
Ich landete in vorbildlicher Haltung auf der leicht geneigten Oberfläche, rollte mich ab und stellte fest, dass meine Beine schon wieder über leerem Raum hingen. Das Material war fest, aber so glatt wie frischer Belatang, und ich rutschte immer schneller auf den Rand zu. Ich stemmte die Ellbogen nach unten, um mich abzubremsen, fand aber keinen Halt. Ich schaffte es im letzten Moment, mit einer Hand nach der scharfen Kante des Daches zu greifen.
Zehn Meter bis zur Straße. Während mir die Dachkante in die Handfläche schnitt, baumelte ich eine Weile an einem Arm und versuchte, mögliche Hindernisse wie Mülleimer oder geparkte Fahrzeuge auszumachen, die meinen Sturz behindern könnten. Dann gab ich es auf und ließ mich trotzdem fallen. Das Pflaster kam mir entgegen und versetzte mir einen harten Schlag, aber es gab nichts Scharfes, das mir bei der Landung Komplikationen bereitet hätte. Und als ich zur Seite rollte, stieß ich nicht gegen Mülleimer oder Fahrzeuge. Ich stand auf und suchte Schutz in den nächsten Schatten.
Zehn Minuten und ein paar wahllos ausgesuchte Straßen später fand ich eine Reihe wartender Autotaxis. Ich huschte aus meiner gegenwärtigen Deckung und nahm das fünfte in der Schlange. Ich nannte Ortegas Geheimcode, als wir in die Luft aufstiegen.
»Code registriert. Geschätzte Fahrtdauer fünfunddreißig Minuten.«
Wir flogen über die Bay und dann aufs Meer hinaus.
Zu viele Ränder.
Die zusammenhanglosen Ereignisse der vergangenen Nacht blubberten in meinem Gehirn wie ein schlecht zubereiteter Fischeintopf. Unverdauliche Brocken tauchten an der Oberfläche auf, schwappten in den Strömen der Erinnerung umher und versanken wieder. Trepp, wie sie am Stecker in der Kabel-Bar hing, Jimmy de Soto, wie er sich das Blut von den Händen wusch, Rykers Gesicht, wie es mich aus einem sternförmig gesplitterten Spiegel ansah. Auch Kawahara geisterte irgendwo dazwischen herum, behauptete, dass Bancroft durch Selbstmord gestorben sei, und verlangte von mir, die Ermittlungen zu beenden, genauso wie Ortega und die Polizei von Bay City. Kawahara, die Einzelheiten über meinen Kontakt zu Miriam Bancroft wusste, wusste auch Einzelheiten über Laurens Bancroft und über Kadmin.
Der letzte Rest meiner Kopfschmerzen zuckte wie ein Skorpionschwanz und wehrte sich gegen die zunehmende Übermacht der Pillen, die Trepp mir gegeben hatte. Trepp, die höfliche Killerin, die ich gekillt hatte und die zu mir zurückgekommen war, angeblich ohne Vorwürfe, weil sie sich an nichts erinnerte. Denn nach ihren Begriffen war es niemals geschehen.
Wenn es jemanden gibt, der Laurens Bancroft davon überzeugen kann, dass er durch eigene Hand starb, dann sind Sie es.
Trepp, an der Theke eingeklinkt.
Virenattacke. Du erinnerst dich doch noch an die Mutter.
Bancrofts Augen, die sich auf der Terrasse vor dem Suntouch House in meine bohrten.
Ich bin kein Mann, der sich das Leben nimmt, und selbst wenn es meine Absicht gewesen wäre, hätte ich es nie auf diese Weise verpfuscht. Wenn ich wirklich hätte sterben wollen, würden Sie sich jetzt nicht mit mir unterhalten.
Da wusste ich plötzlich mit blendender Klarheit, was ich tun würde.
Das Taxi setzte zur Landung an.
»Der Boden schwankt«, sagte die Maschine überflüssigerweise, als wir das Deck berührten. »Bitte seien Sie vorsichtig.«
Ich fütterte den Schlitz mit Bargeld, dann öffnete sich die Tür. Ortegas sicherer Treffpunkt bestand aus einem kleinen Landeplatz und einer Reling aus Drahtseilen. Dahinter wogte das Meer in wandernden Buckeln aus schwarzem Wasser unter einem Nachthimmel, der mit Wolken und Regen verstopft war. Ich stieg misstrauisch aus und hielt mich an der nächsten Reling fest, während das Taxi abhob und schnell von den treibenden Regenschleiern
Weitere Kostenlose Bücher