Das verlorene Kind
auf, schwer,
mit gewaltigen, stampfenden Stößen. Er konnte nichts mehr retten.
Krachend warf er das Kind nieder, er warf sich nieder, er fühlte unter
seiner Brust das klopfende Jagen des kleinen Herzens, in hackenden
Doppelschlägen antwortete sein Herz, ineinander verfangen rissen beide
Herzen ihre Schläge dahin. Alles verging um ihn. Donner umdröhnte sein
Ohr, feuergleich durchwogte ihn sein Blut, sein wilder Atem schien
Brust und Kehle sprengen zu wollen. Blind und gierig wühlte seine Hand
danach, Kleider abzureißen, Fleisch zu zerreißen, Adern, Pulse,
klopfende Herzen zu vernichten, eng umpreßte Kehlen zu ersticken im
wohligen Druck, und sich auszugießen in weiche, stille Ruhe. Mit
grauenhafter Gewalt zerriß sein Körper den zarten Leib des Kindes,
während seine rechte Hand mit einem Griff die kleine Kehle zerbrach.
Das Kind, vom Lachen zum Schrecken jäh verstummt, stieß nur noch einen
kleinen zischenden Seufzer aus. Kein Schrei war erklungen. Die tote
Stille herrschte. Das grabesferne Rascheln der nagenden Ratten, der
gedämpfte menschliche Laut des tauben Dachdeckers über dem Dache. Das
Vogelnest hoch oben im Gebälk war still, wie verlassen.
Der Mörder erwachte, als er aus dem eben noch vor Durst
vertrockneten Mund Speichel in seinen Hals rinnen fühlte. Er zog seine
linke Hand zwischen den Gliedern des Kindes hervor, um sich
abzuwischen. Sie war voll Blut. Er hielt sie vor die langsam
erwachenden Augen. Er entsann sich, daß er am Morgen sich bei den
Weiden geschnitten hatte. Er glaubte, die Wunde blute noch immer. Seine
rechte Hand, um die Kehle des Kindes gekrampft, hatte er vergessen. Das
Kind, tief unter seinem Leibe vergraben, hatte er vergessen. In
Ermüdung, in wollüstiger Ruhe, im Tod aller Herzen ruhte er aus,
gebettet weich auf dem kühlen weichen Grund unter ihm. Er wandte
langsam sein Gesicht nach oben, es war geebnet, ruhig, weiß,
engelgleich die sanften Züge. Sein müder Blick umfaßte das Stroh vor
seinen Augen, ein großer, grüner Käfer bewegte sich mühsam auf ihn zu.
Er mußte lachen, im Lachen warf er sich auf den Rücken, sein Leib gab
die Leiche der kleinen Anna frei. Er begriff nichts. Kaum sah er. Er
fühlte die Unordnung seiner Kleider, und Scham ergriff ihn. Schnell
machte er alles gut. Er dachte an seine Arbeit. Er sah umher. In der
Dunkelheit erblickte er, ineinander verworren, mattschimmernde Kleider
in Unordnung, verrenkte, leblose Glieder. Der Gedanke durchzuckte ihn:
»Hier muß Ordnung sein!« Alle Müdigkeit war verjagt. Er rannte zum Tor
der Scheune hinaus.
Draußen blendete das Licht. Heiße, lebendurchbebte Luft
zitterte in der Sonne. Der Hof war leer. Seine Glieder waren leicht,
besänftigt, unfühlbar sein Herz, ruhig die ausgekühlten Hände. Ganz
leise stieg ein sanfter, hoher Ton aus der befreiten Kehle. Er sprang
um die Ecke der Scheune, wo unter einem Dachvorsprung die Geräte für
die Gartenarbeit hingen. Er ergriff eine Hacke mit langem Stiel und
lief zurück. Da sah er über den Hof die Gestalt eines alten Bettlers
mit grauem, struppigem Bart, um den Hals einen weithin leuchtenden
Streifen wie von rotem Blut oder von einem Tuch, wie er sich vorsichtig
dem Garten zuschlich, vielleicht, um ein paar Früchte zu stehlen. Als
er Fritz erblickte, erschrak er und floh zum Brunnen zurück, wo er
zögernd stehenblieb. Fritz aber schwang drohend die Hacke gegen ihn,
und der Alte begann eilig in das Feld zurückzulaufen. Fritz sah ihm
nach. »Da muß Ordnung sein!« sagte er vor sich hin und lief eilig zur
Scheune weiter.
Er kehrte zurück in das Dunkel, an dem toten Kinde, dem Haufen
verwühlter Kleider und Glieder, lief er vorbei bis in die hinterste
Ecke des Raumes. Er begann zu hacken, mit rasend schnellen, scharfen
Schlägen. Das Stroh des Bodens spritzte auf, blendete seine Augen.
Schneller noch fielen seine Schläge, da endlich kam er auf Erde, kühle,
dunkle, tote Erde. Sanfte Ruhe umfing ihn, er kniete nieder, breitete
die Arme aus und maß so die Länge einer Grube ab. In grauem Rechteck
entstand sie schnell, scharfkantig und sauber ausgeglättet. Er lief
zurück zu der Leiche, ergriff sie an den Falten der Kleider und
schleifte sie in die Grube. »Es muß Ordnung sein!« flüsterte er vor
sich hin.
Dieser drängende Gedanke, der ihn rettete vor dem Begreifen
des Geschehenen, war wie eine triebhafte, erschütternde Rechtfertigung
dessen, daß er ahnungslos, aber furchtbar die
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