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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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und das machte ihm angst.
    Sein ganzer Körper weinte.
    Sein ganzer Körper schluchzte.
    Das wußte er. Was er wissen wollte, war: Warum?
Ein bebrilltes, verschwommenes Etwas
    Als ich von der Arbeit nach Hause kam, ging ich vorbei an Wohnung 6, wo ich mit meinen Eltern lebte, weiter die Treppe hinauf in den dritten Stock. Die Tür von Wohnung 18 war geschlossen. Der neue Wohnungsinhaber hatte sie in Besitz genommen. Die Tür war geschlossen, und ich klopfte nicht an, um mich vorzustellen. Ich legte ein Ohr an die Tür, hörte aber nichts. Alles, was ich im dritten Stock hören konnte, waren die Freundlichkeiten, die aus Miss Higgs Fernseher kamen.
    Ich kehrte nach Hause zurück.
    Ich hatte einen Besucher.
    Der Besucher, der ebenfalls einen Schlüssel zu unserer Wohnung besitzt, hatte sich selbst hereingelassen. Er saß in unserem größten Zimmer, ein Raum, der uns als Küche, Eß- und Wohnzimmer diente. Er saß auf einem einfachen Stuhl vor dem großen roten Ledersessel und hielt Vater, der in seinem Sessel saß, die Hand. Der Besucher weinte und schwitzte und roch nach hundert verschiedenen Düften: Es war Peter Bugg.
    Schweißperlen, ganze Inselkolonien, standen auf seinem weißen, glänzenden Schädel.
    Peter Bugg erzählte mir dann von der Person, die Wohnung 18 in Besitz genommen hatte. Ich wußte, daß dies der Grund für seinen Besuch war, denn an diesem Wochentag kam er mich für gewöhnlich nicht besuchen. Pünktlich erschien er zweimal die Woche, um mir zu helfen, Vater umzuziehen. Und er schaute auch nach Vater, wenn ich arbeiten war. (Mutter, die im größten Zimmer unserer Wohnung lebte, wechselte ihre Kleidung zum Glück selbst.) Peter Buggs Besuch stellte also eine Ausnahme dar. Peter Bugg erzählte. Der neue Bewohner von Wohnung 18, erklärte er, sei nicht:
    1. Alt.
    2. Im Sterben begriffen.
    3. Männlich.
    Die beiden ersten Punkte hatte ich zumindest stillschweigend erwartet. Es war höchst unwahrscheinlich, daß wir ein solches Glück hätten. Der dritte Punkt aber traf mich wie ein Schlag. Ich hatte stets in Betracht gezogen, daß meine Phantasien bezüglich des neuen Bewohners nicht zutreffen mochten. Ich hatte versucht, dies zu berücksichtigen. Aber niemals, nicht einmal einen einzigen Augenblick lang, hatte ich in Erwägung gezogen, daß der neue Bewohner eine Frau sein könnte. Ob sie nun Sommersprossen hatte, hübsch war oder häßlich, fettleibig oder abgemagert, blond oder dunkelhaarig, konnte Peter Bugg mir nicht beantworten. Ebenso wenig konnte er sich an ihr Alter erinnern. Ich kann sie sehen. Nicht sehen kann ich jedoch, was es ist, das ich sehen sollte. Was es ist, das ich beschreiben sollte.
    Was siehst du?
    Ich sehe... ich sehe... eine diffuse Masse. Verschwommen. Die Masse rauchte eine Zigarette. Rauch stieg mir in die Augen. Ich weinte. Moment! Etwa auf Kopfhöhe gab es zwei kaum merkliche Spiegelungen. Ja! Sie trug eine Brille.
    Sonst noch was? Es muß doch noch mehr geben.
    Das arme, flennende Bündel war noch nie, so erklärte er, in der Lage gewesen, seinen Blick konzentriert auf eine weibliche Gestalt zu richten. Sie war ihm ein vollkommenes Mysterium. Nicht mal bei seiner Mutter? Seine Mutter, ja, an die konnte er sich besser erinnern. Sie war diejenige, die mit seinem Vater verheiratet war, oder? Ja, sagte er, das war sie dann wohl. Ein diffuser, wohlmeinender Nebel.
    Ich erfuhr, daß Peter Bugg der neuen Bewohnerin auf der Treppe begegnet war und sogar mit ihr gesprochen hatte. Er sah sofort, gleichwohl nicht genau, dass es keine Bewohnerin war, mit der wir glücklich werden könnten und dies sagte er ihr auch. Er hatte sein Gesicht zu einer Maske aus Verbitterung und Haß verzogen, ein spezieller Gesichtsausdruck, mit dem er damals seine Schüler in Angst und Schrecken versetzt hatte, und richtete entschieden unfreundliche Worte etwa an jene Stelle, von der er glaubte, daß sich dort, wenn man die weibliche Anatomie in Betracht zog, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kopf befinden müsse. Diese Worte:
    Gehen Sie wieder nach Hause. Gehen Sie weg.
    Und Peter Bugg war überzeugt, daß seine Intentionen mit diesen beiden Sätzen präzise zum Ausdruck gebracht worden waren. Er war recht zufrieden mit sich. Allerdings hatte er nicht mit einer Erwiderung gerechnet:
    Hier ist jetzt mein Zuhause.
    Es sei jetzt ihr Zuhause, verkündete sie und anscheinend meinte sie es auch so. Sie ging weiter die Treppe hinauf. Peter Bugg, entsetzt ob ihrer Antwort, erlebte sich sodann als

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