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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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»Dies ist eine Abschrift der Fehdeerklärung. Wie ihr darauf lesen könnt, ist die notwendige Frist, die es nach der Erklärung einzuhalten gibt, schon abgelaufen. Ich sage es darum offen: Es gibt kein Zurück mehr.« Die kurze Redepause des Ratsnotars war von jener Stille erfüllt, die im voll besetzten Gehege nur selten herrschte. »Ich habe mir erlaubt, umgehend einen Abgesandten nach Plön und auch den kurzen Weg zum Kunzenhof zu schicken, die die Fürsten um Waffenstillstand bitten sollen, damit Zeit zum Verhandeln bleibt. Vielleicht kommt einer von ihnen ja doch noch zur Besinnung und schlägt seinem Vetter eine Sühne vor, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Doch meine Hoffnung, die ich in diese Bitte lege, ist klein!«
    Die Ratsherren wussten, was eine Fehde für die Stadt bedeutete: Sie würden zahlen müssen! Während die Fehden der Vergangenheit mit vereinzelten Adeligen zunächst die gräflichen und dann auch die städtischen Kassen ordentlich leergeräumt hatten, mochte sich niemand so recht ausmalen, was diese Fehde – zwischen zwei Grafen – wohl kosten würde! Auch wenn bislang noch keiner der Schauenburger mit entsprechenden Forderungen an den Rat herangetreten war, war jedem Anwesenden klar, dass das bloß eine Frage der Zeit sein konnte. Die Ratsherren wollten vorbereitet sein, wenn es zum Äußersten kam, und so sollten an diesem Tage Vorschläge gesammelt werden, wie die nötigen Gelder aufgebracht werden konnten. Niemand hatte vor, den Fürsten etwas zu schenken, und auch wenn sie gerade jüngst das Recht der Freien Kore erhalten hatten, wollten sie mehr. Das Zugeständnis der Pacht der gräflichen Münze rückte mit der kostspieligen Fehde schon einmal sichtlich näher an sie heran, und auch weitere Ideen wurden laut. Man wog das Für und Wider ab, und am Ende waren sich alle einig: Sie wollten die Übertragung der kleinen Alster! Als die Debatte mit abschließenden Worten aus dem Munde des Bürgermeisters beendet wurde, sah man um den mächtigen Holztisch ausschließlich zufriedene Gesichter.
    Auch Godeke war, wie meistens nach einer erfolgreichen Ratssitzung, beflügelt von dem Gefühl, sich der Probleme der Hamburger angenommen zu haben. Sein Vater hatte oft davon erzählt, doch so richtig verstand er es erst jetzt. Seit er dem Rat beisaß, war es ihm, als hätte sein Leben einen neuen Sinn. Er liebte dieses Gefühl, weshalb er immer noch ein leichtes Lächeln auf den Lippen trug, als er sich seiner Haustür näherte. Noch bevor er sie öffnen oder daran klopfen konnte, kam Oda heraus.
    Sie hatte ihren Gemahl von drinnen schon kommen sehen und war froh, dass sie nun die Gelegenheit bekam, mit ihm zu sprechen. »Godeke«, sagte sie, während sie ihm entgegenkam. Ihr Gesicht hatte etwas Reumütiges. »Bitte lass uns sprechen. Das was gestern passiert ist …«
    »Godeke«, ertönte es plötzlich aus der anderen Richtung. Es war Ava, die mit leicht geröteten Wangen und zauberhaft wie immer angelaufen kam. »Kannst du bitte kurz rüberkommen? Ehler! Er ist außer sich …« Als sie sah, dass die Eheleute sich unterhielten, hielt sie inne und sagte: »Oh verzeiht, habe ich euch bei etwas gestört?«
    »Ja«, sagte Oda.
    »Nein«, sagte Godeke.
    Ava blickte etwas verwirrt. »Ich … ich komme besser später wieder.« Als sie gerade im Begriff war zu gehen, hielt Godeke sie auf.
    »Warte!«
    Oda konnte nicht glauben, dass ihr Gemahl offensichtlich vorhatte, sie hier stehen zu lassen, und sagte mit scharfem Ton: »Ich wollte gerade mit dir sprechen!«
    Godeke schaute zu seiner Frau und antwortete: »Das können wir auch später noch tun.« Als er ihren wütenden Blick auffing, fasste er sie am Unterarm und zog sie näher an sich heran. »Vielleicht gewöhnst du dich schon mal daran, dass nicht alles nach deiner Nase laufen kann, Weib. Ich habe dein Verhalten in letzter Zeit nämlich satt.« Dann ließ er sie los und machte auf dem Absatz kehrt.
    Oda blieb verstört zurück. Eigentlich hatte sie sich entschuldigen wollen, und jetzt musste sie mit ansehen, wie ihr Mann hinter Ava herlief, als wäre sie selbst bloß eine lästige Magd. Sicher, Ava hatte ein schweres Schicksal erlitten, sie war ihre Freundin und Godeke ihr Muntwalt, dennoch stieg langsam aber sicher die Eifersucht in ihr hoch.
    Godeke hingegen schob den Gedanken an seine zänkische Frau schnell beiseite und trat an Avas Seite. »Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Seit er aus der Nikolaischule gekommen ist, weigert er

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