Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
verlegen war, wurden die Reisenden während des anstrengenden Aufstiegs immer schweigsamer. Calvyn wälzte wieder und wieder das bisschen, was er über Selkor wusste, im Kopf herum und versuchte, eine Schwäche seines Gegners auszumachen, aus der er einen Vorteil ziehen konnte. Doch er musste sich eingestehen, dass er herzlich wenig über Selkor wusste. Je mehr Calvyn über sein Erscheinen auf dem Schlachtfeld
von Mantor nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, dass Selkor damals nicht Magie, sondern Zauberei eingesetzt hatte. Wenn sich Selkor aber mit Zauberei beschäftigt hatte, so stellte sich die Frage, ob er auch die anderen arkanen Künste beherrschte. Darüber aber wusste Calvyn kaum etwas, und er hatte keine Ahnung, wie er einem solchen Angriff begegnen sollte. Dieser Gedanke war alles andere als beruhigend.
Calvyns jüngste Fortschritte in der Magie und insbesondere im beherrschten Umgang mit dem Stab und dem Ring hatten ihn trotzdem ein wenig zuversichtlicher gestimmt. Wenn Selkor nur Darkweavers Amulett besessen hätte, so hätte Calvyn seiner Meinung nach eine gute Chance gehabt, ihn im Zweikampf zu besiegen. Doch bewaffnet mit den Schlüsseln zu den drei Elementen schien ihm Selkor nicht angreifbar.
Kurz vor einer großen Felsformation brachte Perdimonn sein Pferd zum Stehen und bedeutete den anderen mit erhobener Hand, seinem Beispiel zu folgen.
»Was ist denn, Perdimonn. Warum halten wir an?«, fragte Akhdar verärgert. »Haben wir uns verirrt oder braucht etwa schon wieder jemand eine Pause?«
»Wir halten aus mehreren Gründen, Bruder Akhdar«, erklärte Perdimonn geduldig. »Der Erste ist, dass du von hier aus nur weiterkommst, wenn jemand für dich kämpft.«
»Für mich kämpft? Was meinst du damit?«
»Das wirst du schon sehen«, erwiderte Perdimonn gelassen. »Bitte steigt alle ab. Der Pfad ist ab hier für Pferde ungeeignet und die meisten von uns werden sowieso hier zurückbleiben. Calvyn, komm bitte zu mir. Es ist sicherer, die Wächter herauszubitten, als auf das Steintor zuzugehen.«
Verwirrt gab Calvyn Jenna die Zügel von Hakkaari. Er
hatte keine Ahnung, wovon Perdimonn redete, so wie er nichts von irgendwelchen Wächtern wusste.
»Vergiss die hier nicht.« Akhdar hielt Calvyn im Vorübergehen am Arm zurück und reichte ihm den Stab des Dantillus und den Ring des Nadus. »Und viel Glück!«
Calvyn nickte dankbar und trat dann zur Spitze der Reisegruppe. Als er neben Perdimonn stand, drehte sich dieser zum Felsentor um.
»Wächter des Heiligen Berges, tretet hervor!«, rief Perdimonn mit lauter, gebieterischer Stimme. »Hier ist einer, der durch das Tor will.«
Einige der Reisenden schnappten nach Luft, als zwei Männer in Kampfkleidung und mit Schwertern bewaffnet im Torbogen auftauchten. Die beiden Fremden waren durchtrainiert und wirkten selbstbewusst.
Das Schwert in der Hand des kleineren Kämpfers war außergewöhnlich, sowohl seine Form als auch seine Färbung. Bek erkannte es sofort.
»Sieh mal!«, flüsterte er Eloise zu. »Das ist Silberklinge!«
»Wer?«, wisperte sie zurück.
»Nicht wer, sondern was.« In Beks Stimme schwang große Ehrfurcht mit. »Das silberfarbene Schwert mit der blattähnlichen Form, das der rechte Kämpfer in der Hand hält, muss Derkas Silberklinges Schwert sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zwei solcher Schwerter gibt. Es sieht aus, als sei es weich wie Gold, doch der Legende nach soll die Klinge härter sein als jeder Diamant. Ich frage mich, woher er es hat.«
»Derkas?«, fragte Eloise neugierig. »Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher.«
»Sie weiß nicht, woher!«, rief Bek entsetzt aus. »Hast du denn nie von den heldenhaften Taten des Derkas Silberklinge gehört? Er war der Kämpfer seiner Zeit. Der Legende
nach soll er von den Göttern gesegnet und mit einer Aufgabe betraut worden sein, die für normale Sterbliche unlösbar wäre. Verbürgt ist nur, dass er nie besiegt wurde und in der Blüte seiner Jugend verschwand. Manch einer behauptete, ihn getötet zu haben, aber keiner konnte es je beweisen. Wäre es einem gelungen, so hätte er sicherlich Derkas’ Schwert als Trophäe behalten. Ich frage mich, wo der Bursche da drüben es herhat.«
»Wer begehrt Zugang zum Thron der Götter?«, fragte der größere der beiden Kämpfer.
»Meine vier Gefährten hier und ich müssen zum Thron der Götter hinauf, Pallim«, erwiderte Perdimonn. »Hat Selkor das Tor bereits
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