Das Versprechen
Scheune.
Unter Eugenes Anleitung fertigten sie als Erstes ein Gerüst für die Flaschenzüge. Vor dem Einsetzen der Pfosten entschieden sie sich, die großen, flachen Pflastersteine als Fundament zu benutzen. Sie gruben flache Findlinge ein, verlegten und begradigten die Steine und schoben dann schwere Balken als Schwellen darüber, die sie rings um das Fundament miteinander verbanden. Zusätzliche Balken wurden durch die Mitte der Scheune verlegt und an den Grundschwellen befestigt. Später sollten hier weitere Pfosten angebracht werden, um das Dachgerüst und den Heuboden zu tragen. Mithilfe der Flaschenzüge zogen die Maultiere die gewaltigen Eckpfosten hinauf auf die Schwellen. Dicke Strebehölzer wurden angenagelt und schließlich mit den Querbalken verbunden.
Nach Fertigstellung des Grundgerüstes wurden die Rahmen für die Wände gezimmert, und Eugene vermaß und markierte und gab Anweisungen für deren Platzierung. Leitern wurden an die Eckpfosten gelehnt und Löcher hineingebohrt, und mittels Flaschenzügen wurden weitere Balken als Querstreben in die Höhe transportiert. Auch durch diese Balken hatten die Männer Löcher gebohrt und brachten sie nun mit langen Metallbolzen an den Eckpfosten an.
Jedes Mal, wenn sie eine Wand aufgestellt hatten, brachen sie in Jubel aus. Dann wurde das Dach ummantelt, und als schließlich die Pferdestallungen ausgebaut wurden, nahm das Hämmern kein Ende mehr.
Zweimal wurde zum Essen gerufen, und die Männer ließen ihr Werkzeug fallen und langten ordentlich zu. Lou und Oz bedienten die müden Arbeiter mit Tellern voll warmem Essen und Bechern voll Malzkaffee. Cotton saß mit dem Rücken an den Drahtzaun gelehnt, ließ seine schmerzenden Muskeln ruhen und schlürfte den Kaffee. Mit einem breiten Grinsen sah er, wie die Scheune durch nichts als den Schweiß und die Nächstenliebe freundlicher Nachbarn aus dem Boden wuchs.
»Ich möchte euch allen für eure Hilfe danken«, sagte Lou, als sie einen Teller mit frischem Brot und Butter vor den Männern abstellte.
Buford Rose griff sich ein Stück Brot und nahm einen riesigen Bissen, auch wenn er kaum noch Zähne hatte. »Nu ja, hier oben müssen wir uns schon gegenseitig helfen, sonst tut’s ja keiner. Frag meine Frau, wenn du ’s nicht glaubst. Und Gott weiß, dass Louisa schon ’ner Menge Leute hier oben geholfen hat.« Er schaute zu Cotton hinüber, der ihm mit seiner Kaffeetasse zuwinkte. »Ich weiß, dass ich Ihnen vor einiger Zeit gesagt hab, dass es meiner Farm nich’ gut geht, Cotton, und dass ich gern verkaufen würd, aber vielen Leuten geht’s noch schlechter als mir. Mein Bruder ist Milchbauer unten im Tal. Kann kaum noch laufen vom dauernden Hocken aufm Schemel, der arme Hund, und seine Finger sind so krumm wie
Wurzeln. Es heißt, es gibt zwei Dinge, die Milchbauern ihr Leben lang nicht brauchen: was Schönes zum Anziehn und ’nen Platz zum Schlafen.« Er riss sich ein weiteres Stück Brot ab.
»Miss Louisa hat mich auf die Welt gebracht«, sagte ein junger Mann. »Meine Ma sagt, ohne sie war ich jetz’ nich’ hier.« Viele andere Männer nickten oder grinsten. Einer von ihnen blickte zu Eugene hinüber, der am Gerüst stand, ein Stück Huhn kaute und überlegte, wie sie beim Bau der Scheune weiter vorgehen sollten. »Und Eugene hat mir vorletztes Frühjahr geholfen, ’ne neue Scheune zu bauen. Der Mann kann mit Hammer und Säge umgehen, das könnt ihr mir glauben!«
Buford Rose beobachtete Lou unter seinen dichten Augenbrauen. »Kann mich gut an deinen Pa erinnern, Mädel. Kommst ganz nach ihm. Der Bursche hat die Leute ständig mit Fragen genervt. Irgendwann hab ich ihm gesagt, ich hätt’ keine Worte mehr im Kopf, damit er mich endlich in Ruhe lässt.« Er grinste zahnlos, und Lou erwiderte das Lächeln.
Die Arbeit ging voran. Eine Gruppe deckte das Dach mit Brettern und verlegte dann die Dachpappe. Angeführt von Eugene machte sich eine weitere Gruppe daran, die Doppeltüren für beide Seiten und die Heubodentüren zu zimmern. Eine dritte Gruppe verschalte und strich die Außenwände. Als es zu dunkel zum Arbeiten wurde, erhellten Petroleumlampen die Nacht. Das Hämmern und Sägen wurde zu einem fast angenehmen Geräusch. Fast. Denn natürlich beklagte sich keiner der Männer, als schließlich das letzte Brett verlegt und der letzte Nagel eingeschlagen war. Es war ziemlich spät geworden, und die Wagen fuhren heimwärts. Müde trieben Eugene, Cotton und die Kinder die Tiere in ihr neues Heim und
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