Das Versprechen der Kurtisane
Größe, seiner Nähe und seinen kühnen Anschuldigungen einschüchtern.
Viel Glück. »Ich dachte es mir. Sie haben keinen Beweis. Entschuldigen Sie mich.« Forsch wandte sie sich nach links, doch wie ein Schatten war er sofort wieder vor ihr. Also gut. Jetzt, wo sie den ersten Schrecken überwunden hatte, jagte er ihr kein bisschen Angst mehr ein. Sie trat zurück bis zur Wand, verschränkte die Arme und wartete.
Er folgte ihr, hielt diesmal aber mehr Abstand. Einen knappen Meter von ihr entfernt lehnte er sich mit der Schulter an die Wand, den Körper ihr zugewandt. »Ich habe Sie heute Abend beobachtet. Ich habe gesehen, wie Sie am Ende bei fünfzehn stehengeblieben sind. Das deutet sehr darauf hin, dass Sie die Karten des Bankiers kennen, oder wissen, was noch im Stapel ist.« Endlich sah sie ihn an. Da waren sie, seine Augen. Warm und eindringlich glommen sie im mondbeschienenen Korridor. »Ich bin überzeugt davon, dass Ihre anfänglichen Verluste an jenem Abend Absicht gewesen sind. Die Unsicherheit, die Unbeholfenheit, das Kauen auf der Lippe – alles gespielt, um die Männer, und mich insbesondere, in Sicherheit zu wiegen. Niemand hat Ihnen irgendwelches Können zugetraut, und deswegen hat auch keiner darauf geachtet, dass Sie beim Austeilen nicht tricksen.«
»Ein Jammer.« Sie war dieser Sache gewachsen. »Sie können mir nicht sagen, auf welche Weise ich betrogen haben soll. Ich muss Ihre Verluste Ihrem eigenen Unvermögen zuschreiben.«
Sein Blick hing an ihren Lippen, während sie sprach, und er legte den Kopf schief wie ein neugieriger Hund. »Wo sind Sie geboren?«, fragte er, als sie geendet hatte.
»Wie bitte?«
»Das ist kein Cheapside-Akzent, den Sie da haben, und auch sonst kein Londoner Akzent, den ich kenne. Wo sind Sie aufgewachsen?«
»Ich fürchte, mein Stand hat bei Ihnen falsche Vorstellungen hervorgerufen, Sir.« Ihre Worte waren geeignet, die Luft zwischen ihnen zum Gefrieren zu bringen.
»Wirklich.« Er antwortete geistesabwesend, immer noch gefesselt von ihrem Mund. Vermutlich war er vom Mysterium ihres Akzents dazu übergegangen, sich andere mögliche Verwendungsweisen ihrer Lippen und Zunge vorzustellen.
»Was die Freiheiten betrifft, die Sie sich im Umgang mit mir erlauben dürfen. Mir persönliche Fragen zu stellen und sich herauszunehmen, meinen Namen zu gebrauchen, den ich Ihnen nie genannt habe.«
»Ja. Verzeihen Sie. Meine Name ist Blackshear.«
»Ich habe nicht gefragt. Es interessiert mich auch nicht. Und ich muss sagen, Leutnant Blackshear …«
»Einfach nur
Mister
Blackshear. Ich habe mein Patent verkauft.« Er betrachtete kurz den Teppich, und als er wieder aufblickte, war er ganz bei der Sache und hatte die Ablenkung, die von ihrer Stimme und ihrem Mund ausging, vergessen. »Warum sollten Sie ein Interesse daran haben, mich zu übervorteilen und um den Gewinn eines Abends zu bringen?«
»Diese Angelegenheit beginnt, mich zu ermüden.« Sie ließ die Worte geradeaus auf die gegenüberliegende Wand marschieren. »Wenn Sie keinerlei Beweise für meinen angeblichen Betrug vorbringen können, schlage ich vor, dass Sie das Thema fallen lassen.«
Sie schwiegen. Er trat einen Schritt von der Wand zurück, legte eine Hand auf die Tapete und betrachtete seine gespreizten Finger. Männer und ihre Hände! Wie Edward, der auch immer vertieft in den Zustand seiner Nägel war. Dabei gab es da doch gar nichts Interessantes zu …
»Ist es wegen der Bibliothek?«
Wieder dieser blitzartige Augenblick der Nacktheit. »Ich weiß nicht, wovon Sie …«
»Ersparen Sie uns das, Miss Slaughter. Mir und sich selbst.« Sein Tonfall wurde rauer, obwohl er nach wie vor die Tapete ansprach. So musste er geklungen haben, wenn er mit seinen Kameraden in der Armee gesprochen hatte. »Ist das der Grund für Ihre Feindseligkeit? Sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, dass ich vielleicht
vor
Ihnen im Raum gewesen sein könnte, ohne das geringste Interesse, mich in Ihre Angelegenheiten einzumischen oder Zeuge eines erotischen Spektakels zu werden?«
Wollte er sie jetzt beschämen? Da hatte er sich die falsche Hure ausgesucht. »Bitte, Mr Blackshear.« Sie wandte sich um, die Schulter an der Wand, um ihn anzusehen. »Ich bin durchaus in der Lage, ein erotisches Spektakel zu inszenieren, wenn ich es wünsche. Was Sie gesehen haben, war weit davon entfernt.«
Das wäre eigentlich ein gelungener Abschluss gewesen. Doch sie blieb. Vielleicht waren seine Augen daran schuld. Der Ausdruck
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