Das Versprechen der Kurtisane
gibt eine Dame, die abhängig von dir ist, glaube ich. Um derentwillen du Geld verdienen willst. Ich dachte, es könnte vielleicht die sein, die du damals in Camden Town besucht hast.«
»Nein, Lydia! Denkst du wirklich, ich wäre der Mann, der …« Er unterbrach sich. Er
war
der Mann, der mit der Frau eines anderen ins Bett ging und brutal mit ihr umsprang. Und in Bezug auf Mrs Talbot war er womöglich noch viel schlimmer. »Die Dame, an die du denkst, ist die Witwe eines meiner Männer. Ich habe ihm versprochen, für sie und ihren kleinen Sohn zu tun, was ich kann. Ich möchte ihr ein Leben in Unabhängigkeit von den Verwandten, bei denen sie jetzt wohnt, ermöglichen. Aber das ist alles. Ich habe nicht vor, ihr den Hof zu machen.«
Sie hatte ihren Schutzschild gesenkt, oder vielleicht war der Wein daran schuld, und einen Augenblick lang konnte er ihre Gedanken lesen: Er sah, wie das Bangen in ihren Augen in Erleichterung und dann in Neugier überging. »Das ist ein außergewöhnliches Versprechen.«
»Er lag im Sterben.« Wie viel mehr war er bereit, zu erzählen? Er kannte so viele ihrer Geheimnisse – ihr Bruder, der Tod ihrer Eltern, der Schuft, der sie ruiniert hatte – und sie wusste fast nichts von ihm. »Es war ein langer Tag gewesen, und eine noch längere Nacht, und ich wollte – ich wollte ihm an Trost geben, was ich konnte.«
»Was für ein ehrenvoller Mann du bist.« Ihr Blick wanderte über sein Gesicht und schätzte ihn abermals neu ein. »Nicht viele würden ein solches Versprechen geben, geschweige denn versuchen, es einzulösen.«
Mehr konnte er danach nicht mehr sagen.
Ehrenvoller Mann
krabbelte über seine Haut wie ein Tausendfüßler. Und wenn sie noch betrunken war? Vielleicht würde sie seine Geschichte jetzt auf eine Weise aufnehmen, und wenn sie später bei klarem Verstand war, völlig anders.
Sie betrachtete ihn, ruhig und geduldig, bereit, sich anzuhören, was er sagte, und ebenso bereit, sein Schweigen hinzunehmen. Wo zum Teufel war diese Frau vor zehn Minuten gewesen? Wohin ging sie, wenn dieser fauchende, spuckende Sukkubus von ihrem Körper Besitz ergriff?
Einen Augenblick lang erwog er, sie in den Arm zu nehmen und seine Runde einzufordern. Auf seine Weise, wie sie versprochen hatte. Doch jetzt, wo er befriedigt war, übertönte kein nagender Hunger mehr sein Gewissen, das sich mit einer lautstarken Litanei zu Wort meldete.
Eine Berührung erlaubte er sich: Er hob die Hand, um ihr Haar glattzustreichen. »Schlaf jetzt, Lydia. Es war ein langer Tag.« Er erhob sich vom Bett und löschte die Kerzen.
Die Träume kamen wieder, grimmiger denn je. Schüsse. Der entsetzliche Schrei eines Pferds. Rufe in der Dunkelheit draußen, und dann der Knall, als die Kutschentür aufgerissen wurde.
Doch ebenso grimmig war der wachsame Beschützer neben ihr, und holte sie aus jedem Traum, bevor die Bilder weiter fortschreiten konnten. Er zog sie an sich, tupfte ihr mit dem Laken den Schweiß von der Stirn und sagte beruhigende Dinge.
Lydia
, sagte er.
Liebling
nannte er sie mindestens einmal.
Hier bist du sicher. Ich lasse nicht zu, dass dir jemand wehtut.
Denn er dachte, die Träume gingen um sie.
Er hätte sich danach aus dem Staub machen können, doch das hatte er nicht getan. Jetzt wusste er von ihren unanständigen, gierigen, selbstzerstörerischen Heißhungeranfällen. Er hatte die abscheuliche Tiefe ihres Verlangens gesehen. Und er war mit ihr hinuntergestiegen und hatte sich dem ganzen Ausmaß ihres Zorns gestellt, denn er war ein Mann von unendlicher Stärke, unendlicher Geduld und unendlichem Verständnis für die Schwächen anderer.
Seine Stirn berührte ihren Hinterkopf. Sein Atem wärmte ihren Nacken. Sein Arm lag über ihr, wie in der Nacht zuvor, nur dass diesmal kein Stoff dazwischenlag. Jedes Mal, wenn sie erwachte, erstaunte das Gefühl seiner nackten Haut sie aufs Neue.
Lydia blinzelte. War es schon Tag? Ihr Kopf schmerzte. Sie hätte nicht so viel Wein trinken sollen.
Sie hatten die Vorhänge nicht zugezogen, und das Zimmer war von einem diffusen Licht erfüllt. Es dämmerte. Sie hatten noch Stunden, bevor sie aufstehen mussten.
Die Anspannung seiner Muskeln verriet ihr, dass er wach war, während seine vollkommene Ruhe ihr verriet, wie viel Mühe er sich gab, sie nicht zu wecken. Seine Erektion verriet ihr, wie sie die Zeit vor dem Frühstück verbringen konnten, wenn sie wollten.
Er bewegte den Arm, fand unter der Decke ihre Hand, und er verschränkte die
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