Das waren schöne Zeiten
Inhalt des Butterfasses durch den Ausgußablauf verschwand. Walter kam gerade dazu, wie ich den Wasserhahn aufdrehte und den Rest hinunterspülte, und lachte: »Nun, jedenfalls wäre es gut gewaschene Butter gewesen«. Aber ich lachte diesmal nicht mit.
Ich glaube, während dieser ersten Monate unserer Ehe, wo ich mich so einsam fühlte und all diesen Haushaltsproblemen so ratlos gegenüberstand, mußte Walters Geduld manche Zerreißprobe bestehen. Eines Nachmittags, als ein Nachbar zum Tee kam — man stellte natürlich sofort den Kessel auf den Herd, sobald jemand am Horizont zu erblicken war fiel mir ein, daß es weder Brot noch Kuchen im Haus gab. Wir waren erst wenige Wochen verheiratet, und ich hatte mich noch nicht daran gewagt, Scones zuzubereiten; doch nun entschied ich, daß der richtige Augenblick dafür gekommen war. Walter widersprach. »Was hast du denn gegen Biskuits einzuwenden?« Aber ich entgegnete selbstherrlich, daß sich nur schlechte Hausfrauen mit Biskuits behelfen.
In meiner Eile oder Unwissenheit muß ich doppelte Menge Backsoda genommen haben, denn die Existenz von Backpulver war mir damals noch nicht bewußt geworden. Die Scones wurden safrangelb und so abscheulich wie nur möglich. Ich flüchtete, von Scham und Enttäuschung vernichtet, in mein Zimmer. Walter fand mich dort, und ich höre heute noch seine Stimme, als er mir Trost zusprach: »Nun, sag mal, was soll denn mit diesen Scones nicht stimmen? Sie sind ausgezeichnet. So komm schon! Old P. wartet darauf, dich kennenzulernen.« Das tat ich denn auch und ließ Old P. nicht aus den Augen, wie er sich mit offensichtlichem Appetit über die fürchterlichen Scones hermachte. Später erfuhr ich, daß er Junggeselle war und ausschließlich von gekochtem Sago lebte.
Nach den Fehlschlägen der ersten Monate wurde ich eine durchschnittlich tüchtige Hausfrau, obwohl ich natürlich niemals die von vielen meiner Nachbarinnen erstrebten Höhen, immer den Kuchenkasten gefüllt zu haben oder eine Torte im Nu >zusammenzuklatschen<, erreichte. Doch schmeichelte es mir nicht wenig, mich als >gute Wirtschaflsleiterin< beschrieben zu hören. Ich war nur ein bißchen enttäuscht, als ich erfuhr, daß dies nichts mit Finanzen zu tun hat, sondern sich lediglich auf meine bescheidene Fähigkeit, meine Familie mit gutem und nahrhaftem Essen zu versorgen, bezog.
Glücklicherweise waren die Nachbarn nicht kritisch. Damals, im Gegensatz zu heute, war es für eine Farmersfrau nichts Alltägliches, das M.-A.-Examen gemacht und bestanden zu haben. In Anbetracht dessen wurde mir viel verziehen. Wie fast immer in dünnbesiedelten Landstrichen wurden nachbarliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft mehr als anderswo gepflegt. Das ist nur zu verständlich. In der Stadt weiß man meist nicht einmal die Namen der Leute, die kaum drei Türen weiter wohnen, und vielleicht ist man sogar froh darüber. Man lebt sein eigenes Leben, und das ist völlig ausreichend.
Im Busch, vor allem in jenen Jahren, war das ganz anders. Selbst wenn man es gewollt hätte, wäre es nicht möglich gewesen. Jeder erfuhr bald, wie abhängig man voneinander war. Man gehörte zu einer Gemeinschaft, und damit wurde von jedem selbstverständlich erwartet, sich in Zeiten der Not gegenseitig beizustehen. Die Nachbarn waren die einzigen, an die man sich wenden konnte. Bei Krankheit, Tod, Unfall oder was sonst für Unglück über einen hereinbrechen mochte, standen sie einem getreulich zur Seite, und selbst tat man das gleiche. Das war ungeschriebenes Gesetz und eine vom Selbsterhaltungstrieb diktierte Notwendigkeit.
Während ich nun an meinen Erinnerungen schreibe, beeindruckt es mich zutiefst, welche unfehlbare Treue und Hilfsbereitschaft wir in Zeiten des Unglücks von allen unseren Nachbarn erfuhren. Selbst wenn sie nichts mit einem gemeinsam hatten, einen völlig anderen Hintergrund, eine andere Erziehung, vielleicht langweilten oder ärgerten sie einen sogar; doch wenn etwas schiefging, dann konnte man sich darauf verlassen, daß sie bedingungslos zu Hilfe eilten. Ich möchte es mit den Worten eines Siedlers, der noch tiefer im Busch lebte als wir, und schon vor uns dort war, ausdrücken: »Wenn wir vom Hochland nicht zusammenhalten, könnten wir nicht existieren. Es ist nicht nötig, daß man ununterbrochen zusammensteckt; man braucht sich noch nicht einmal besonders gut leiden zu können — aber wenn einer in Schwierigkeiten gerät, müssen sich alle um ihn kümmern.«
In all den Jahren
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