Das Weinen der Engel (German Edition)
Weizentortillas. Zum Dessert gab es in Mescal-Soße gebackenen Flan.
Familienmitglieder und Gäste saßen an einem langen Eichenholztisch unter einem schweren schmiedeeisernen Kronleuchter. Der Don saß in seinem mit Ornamenten verzierten hochlehnigen Sitz und überblickte seinen Hofstaat vom Kopf der Tafel aus. Seine Frau Dolores, eine attraktive Frau Anfang fünfzig, saß zu seiner Rechten.
Lark hatte den Platz neben der Señora. Trotz der feinen Linien in den Augenwinkeln und den silbernen Fädchen in ihrem vollen schwarzen Haar war Dolores de La Guerra immer noch eine schöne Frau. Als Matriarchin des Hauses zollte ihr jeder gebührenden Respekt.
Am gegenüberliegenden Ende des Esstisches saß Miguel, der älteste Sohn. Er war ein gut aussehender Mann in den Dreißigern, mit den gleichen intelligenten dunklen Augen und der hohen Stirn wie sein Vater. Doch in seinen Zügen lag noch eine Sanftheit, die beim Vater im Lauf der Zeit verloren gegangen war.
Miguels Frau Bianca war kleiner als Lark, in der Mitte etwas voller, aber hübsch und sehr nett. Ihr zehnjähriger Sohn Stefano saß neben seiner Schwester Soledad, die ungefähr im gleichen Alter war wie Chrissy.
Sie aßen von bunt glasierten Keramiktellern, der schwere Rotwein wurde in urigen, farbigen Weinkelchen serviert. Das Essen verlief zuerst sehr förmlich, doch es dauerte nicht lange, bis das Gespräch etwas lockerer wurde. Eines der Kinder lachte zu laut und wurde mit einem strengen Blick des Dons bedacht. Doch das wirkte nicht lange nach. Nachdem Lark bemerkt hatte, mit welchem Stolz in den Augen er seine Familie betrachtete, nahm sie an, dass er ein nachsichtiger Großvater sein musste.
Dev führte eine höfliche Unterhaltung mit Miguel und Bianca, doch Lark sah die Anspannung in seinen Schultern. Er machte sich Sorgen wegen Alvarez und dessen Vorhaben, sie zu töten. Die Untätigkeit musste ihn verrückt machen. Er beherrschte sich die ganze Zeit, aber Lark war sich nicht sicher, wie lange er das noch durchhielt.
Langsam beendeten sie das Abendessen. Sobald die Kinder fertig waren, erschienen Angestellte, um sie ins Spielzimmer im hinteren Teil des Hauses zu bringen.
Larks Besorgnis wegen Chrissy musste man ihr angesehen haben.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Señora Delaney“, sagte der Don. „Es gibt genug Spielsachen, um sie für Stunden zu beschäftigen. Conchita wird über die Kinder wachen wie eine Wölfin über ihre Jungen.“
Dolores legte ihr eine Hand auf den Arm. „Was mit Chrissys Eltern passiert ist, weiß jeder in Mexiko. Ich kann Ihre Angst nachvollziehen, aber mein Mann würde nie zulassen, dass Ihrem Kind etwas zustößt.“
Lark brachte ein Lächeln zustande. „Danke, das weiß ich zu schätzen.“
Nachdem die Kinder hinausgebracht worden waren, erschien ein Angestellter in weißem Jackett mit dem Servierwagen. Die Räder ratterten leise über die Fliesen.
„Möchte vielleicht jemand einen Digestif?“, erkundigte sich der Hausherr. „Vielleicht ein Glas Portwein oder Brandy?“ Er wandte sich an Lark. „Oder vielleicht sind Sie ja so mutig und kosten einen
Sotol
? Das ist ein regionales Getränk und wird aus einer Pflanze gewonnen, die der Agave ähnlich ist.“
Warum nicht?
Sie gingen anschließend nirgendwohin. Und wenn der Don sie im Schlaf ermorden wollte, musste er sie nicht unbedingt vorher betrunken machen.
Sie lächelte. „Okay, ich nehme einen.“
Der Angestellte goss ihr von dem Getränk ein winziges Glas ein und stellte es vor ihr auf den Tisch. Lark nahm vorsichtig einen kleinen Schluck. „Das ist sehr gut. Kühl und leicht süß.“
Der Don wirkte erfreut. „Schön, dass Sie es mögen.“
Gemeinsam mit seinem Sohn Miguel und Dev genoss er selbst einen Brandy. Doch niemand von ihnen trank ein zweites Glas.
Lark sah die Sorge in Devs Gesicht von Minute zu Minute immer deutlicher. Gerade als sie sicher war, dass er etwas über Alvarez und ihre Mission sagen wollte, meldete sich de La Guerra zu Wort.
„Vielleicht können die Ladys uns jetzt einen Moment entschuldigen. Es gibt ein paar Dinge, die wir besprechen müssen.“
„Natürlich.“ Dolores stand auf, und ein Angestellter zog ihren Stuhl zurück.
Lark erhob sich ebenfalls. Sie wünschte, sie könnte sich den Männern anschließen. Aber die Zugeständnisse des Dons hatten ihre Grenzen. Außerdem war Dev ein erfahrener Soldat.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Señora de La Guerra“, sagte Lark, „dann würde ich jetzt gern meine
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