Das Wing 4 Syndrom
Sie hob den Becher mit beiden Hände, schloß die Augen und glühte förmlich vor Vergnügen, als sie den von der Flüssigkeit ausgehenden Dunst einatmete. Ein seltsames, scharfes Aroma fiel ihm auf.
„Feyolin“, hauchte sie. „Ich kann es mit einem Freund teilen.“
Sie nippte mit einem winzigen Zittern, das sie noch betörender machte. Er schauderte. Feyolin! War es wirklich Euphorid, dazu erfunden, den Willen des Menschen zu töten?
Sein erster, verängstigter Impuls drängte ihn dazu, den Becher wegzustoßen, aber sie lehnte sich ganz dicht an ihn, und ihr bloßer Arm legte sich um ihn, ihr frischer Duft war stärker als das in den Kopf steigende Aroma des Bechers. Plötzlich hatten all die Gefahren, die er sich vorstellte, nicht mehr Bedeutung als jene Sperren, die er im alten Mansfort überstiegen hatte, um den Mono-Pol zu finden. Er nippte.
12
Euphorid Von dem Humanoiden entwickelte Psychochemikalie, um Furcht, Enttäuschung und Schmerz auszulöschen und absolutes Glück zu erzeugen.
Er bedauerte es nie. Wenn Feyolin etwas Unrechtes war, so trug es ihn augenblicklich in eine andere moralische Domäne, weit außerhalb seiner alten ethischen Grenzen. Es war wie ein Feuer in seiner Kehle und brannte schnell durch sein ganzes Wesen, halb Agonie, ganz fremde Verzückung. Seine Sinne waren einen Augenblick lang betäubt und dann unglaublich geschärft.
Obwohl das Feuer schnell erstarb, hielt sein Nachgeschmack an und wuchs sich zu einer Symphonie vielfältiger Geschmackserlebnisse aus, ihm völlig neu und so beglückend, daß ihm sein erster vorsichtiger Schluck viel zu klein schien. Er wollte den goldenen Kelch, wollte mehr, aber eine schnelle Ausdehnung von Zeit und Distanz hatten ihn von ihm weg in eine fremde Unendlichkeit getragen, wo jeder Atemzug unendlich lange dauerte.
Seine Herzschläge hatten sich verlangsamt, waren zu ungeheurem, hallendem Beben geworden. Der lange Raum war ein riesiger Kosmos für sich geworden, den nichts anderes durchdringen konnte. Draußen war Malilis milchiges Licht über dem See so blendend, daß er die Augen zusammenkneifen und sich abwenden mußte.
Nera leuchtete jetzt förmlich von innen heraus, und ihr berauschender Duft hüllte ihn wie in einen zitternden Diamantennebel. Ihre Berührung war wie Samt und erfüllte ihn mit einem unruhigen, freudigen Sehnen.
„Nera …“ Sein atemloses Flüstern dröhnte wie Donner. „Nera Nyin!“
Obwohl in einem fernen, kühlen Winkel seines Wesens Verwunderung über sich selbst lauerte, machte das nichts aus. Er war nicht länger Kai Nu, nicht länger von den strengen Einschränkungen der Gewohnheit, der Sitte und des Gesetzes gebunden, die er sein ganzes Leben lang gelernt hatte. Das purpurfarbene Getränk hatte ihn verwandelt. Er war Leleyo geworden.
Hungrig wandte Keth sich Nera zu, und sie kam zu ihm. Bald war ihnen seine Uniform im Weg, und sie half ihm, sie abzulegen. Sie selbst war grell leuchtende Freude, über jede Vorstellung hinaus vervielfältigt. Nachher schien alles wie eine andere Realität, wie ein fernes Reich leuchtender Wahrheit, aus dem er sich nur an einige wertvolle Fragmente erinnerte.
Die erste elektrische Süße ihres Mundes, ihre geschickten Hände, die ihm halfen, in sie zu gleiten, die nachgiebige Kraft ihres sanften Körpers. Ihr weiches Lachen, das sich in ihrer goldenen Brust zu einer dröhnenden Melodie verstärkte, als er, von Panik erfüllt, flüsterte, daß er sie nicht schwanger machen durfte.
„Körperkontrolle ist die erste Kunst der Feyo.“ Ihre gehauchten Worte waren wie rauschende Musik. „Wir begrenzen unsere Zahl, wie es unserer Welt gemäß ist. Solange ich nicht will, bekomme ich kein Kind.“
Sie waren Bewohner eines Universums, das nur ihnen gehörte, eines Universums, in dem sie allen Raum und alle Zeit erfüllten, und jeder herrliche Augenblick dehnte sich zu Ewigkeiten des Glanzes. Nur die Freude, die sie aneinander empfanden, war wirklich, und sonst konnte nichts sie berühren. Und jedesmal, wenn die brennende Lorie verblassen wollte, entzündete sie ein weiterer heißer Schluck aufs neue, und es wurde jedesmal göttlicher.
Verzweiflung umfing ihn wie Eis, als er ein letztesmal nach dem Kelch griff und ihn leer fand. Nera lachte vergnügt über seine Gier. Feyokoor durfte niemals ewig dauern. Es war Zeit für sie, sich dem Schlaf hinzugeben.
. Als er erwachte, war das Wunder tot, auch wenn sie leicht und lieblich in seinen Armen lag. Zurückgeführt in das
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