Das Wing 4 Syndrom
und eine Quotenkarte, die Keth beide nicht besaß. Mit argwöhnischem Stirnrunzeln wandten sie sich Brong zu. Das Zonenkommando hatte Alarm gegeben, und sie waren nicht bereit, ein Risiko einzugehen.
Brong erklärte, Schutzmann Kyrone sei ein Flotteningenieur, der gerade von Kai angekommen war, um die neuen Anlagen am Perimeter zu inspizieren. Er war in eine Zone heißer Strahlung geraten und hatte die Stiefel und den größten Teil seiner Kleidung wegwerfen müssen. Wenn sie das Zonenkommando anrufen würden …
Sie ließen Brong anrufen. Nach einer halben Stunde nervösen Wartens stellten sie Keth einen provisorischen Paß aus und fanden sogar ein Paar Stiefel, das er tragen konnte. Endlich drinnen angelangt, führte Brong ihn durch eine riesige Werkstätte, in der sechs klobige goldene Maschinen aufragten. Sanischlepper, sagte er, die man zum Bau des Perimeters einsetzte. Er hatte einen von ihnen gefahren.
Ein Frachtband hinten in der Werkstätte trug sie durch einen zugigen Tunnel in den Berg hinein und zu der schmalen Seitengasse hinauf, an die Keth sich erinnerte. Brong schloß die Tür unter dem verblaßten Medaillon des Schutztrupps auf.
„Kommen Sie rein, Schutzmann. Ich rufe Ihre Eltern.“
Keth nahm dankbar an dem Schreibtisch unter dem verblaßten Holostat seines Vaters Platz. Der benommen machende Zauber des Feyolins war verblaßt und damit all seine Hoffnungen, irgendwie Nera Nyin zu finden. Seine zerschundenen Füße waren taub und schmerzten in den geliehenen Stiefeln, und bleierne Müdigkeit hatte ihn erfaßt.
Er litt unter der höheren Anziehungskraft des Planeten und wünschte sich in einem kleinen Winkel seines Wesens, er wäre ein Vertreter jener heroischen Art, zu dem Chelni und sein Vater ihn gern gemacht hätten, ein erfolgsgewohnter Flottendirektor oder ein kühner Anführer des Schutztrupps. Plötzlich hatte er das Gefühl, sich für nichts zu eignen, und seine eigene Realität begann ihn zu deprimieren.
In seiner Vorstellung war ihm die Zone als ein tapferer Vorposten auf einem gefährlichen Planeten erschienen, aber jetzt war aus ihr ein überfüllter, unbequemer Ort geworden, an dem man einfach arbeitete und existierte und wo eisige Winde beißend Staub aufwirbelten. Selbst Bosun Brong war im Nachgang der Droge zusammengeschrumpft. Nicht länger der rätselhafte Meister geheimer Künste oder auch nur ein romantisches Halbblut, das die Menschheit ausgestoßen hatte – nein, er war jetzt nur noch ein von Sorgen geplagter kleiner Mann, durch künstliche Glieder gehandikapt, der jetzt Schwierigkeiten hatte, am Holo durchzukommen.
Niemand meldete sich, als er es mit der Wohnung versuchte, die Cyra und sein Vater gefunden hatten – etwas größer als die Station des Schutztrupps, erklärte er, mit genügend Platz für ein Labor und eine Werkstätte. Die Raumdeckinformation war besetzt, als er dort anrufen wollte. Aber schließlich erreichte er einen gehetzt wirkenden Angestellten im Büro, der ihm sagte, Kyrone und Sair seien draußen auf Fährenstartplatz 2. Nein, Sir, er könne nichts ausrichten. Nicht in der augenblicklichen Situation. Aber wenn er sie sähe, würde er versuchen, sie wissen zu lassen, daß Kyrones Sohn eingetroffen war.
„Bitte, tun Sie das“, sagte Brong. „Was haben wir denn für eine Notsituation?“
„Das haben Sie noch nicht gehört?“ Das Bild des Mannes starrte ihn an. „Es geht um den Tachyonentransporter. Zuerst nahm man an, er brächte weitere Humanoiden nach Kai. Jetzt wechselt er den Kurs, fliegt auf uns zu. Kyrone und Sair versuchen, ihr Waffensystem fertigzubekommen. Sie geben sich die größte Mühe, es rechtzeitig einsatzbereit zu haben, um die Zone zu verteidigen.“
„Wieviel Zeit …“
„Tut mir leid, Sir. Da kommt ein anderes Gespräch.“
Als das Holo wieder aufblitzte, war Vythle Tlo zu sehen. Ihre glatte, dunkle Eleganz war offenbar durch nichts zu beeinträchtigen. Der Admiral hatte von der Ankunft Brongs und Keth’s von Kai gehört und würde sich freuen, sie im Zonenkommando zu empfangen.
„Ein gemeiner, alter Mutochse!“ meinte Brong, als sie unter dem grünen Himmel die steilen Granitschluchten hinunterkletterten. „Ich kann ihn schon seit Jahren nicht leiden. Vor allem nicht seine Pläne, Malili dem Nutzen seiner Flotte zu opfern.“
„Sie hassen ihn?“ Keth keuchte. „Und doch haben Sie sein Sanifahrzeug gesteuert?“
„Um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Um meine Freunde zu sehen.“ Brong lachte
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