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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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zu hoffen. Aber er wußte, daß er die Frage stellen mußte.
    »Und Francis?«
    Im dämmrigen Licht war ihr Gesicht in Schatten getaucht. Sie seufzte ein wenig. »Ich habe unentwegt darüber nachgedacht, aber im Grunde hab ich überhaupt keine Wahl. Ich habe versucht, ohne ihn auszukommen, aber ich kann es nicht. Und Francis wird sich ändern, Joe. Ich weiß es. Er hat es versprochen. Es ist wie in dem Lied, das meine Mutter gesungen hat. Mein Herz ist in Ketten, Joe. Und es wird niemals frei sein.«
    Er zog sie an sich und nahm sie in die Arme. Er wußte, daß auch sein Herz in Ketten war, und er wußte, was es ihn kosten würde, mit ansehen zu müssen, daß sie einen anderen liebte.
    Die Worte von Daisys Lied zogen ihm durch den Sinn, als er zum schwarzen Wasser hinaussah, in dem sich der Sternenhimmel spiegelte.
Als ich das erstemal dich sah,
Gab ich dir mein Herz zum Pfand.
Sollt' mich jetzt Verachtung treffen,
Ich wünscht' ich hätt' dich nie gekannt.
Wie? Sollen wir, die beide liebten,
Nun einander ewig gram sein?
Nein, in Ketten ist mein Herz
Und wird niemals frei sein.  

Teil 3
     
    1933–1935  
     

10
     
    Nachdem Maia die wöchentlichen Abrechnungen durchgesehen hatte, hob sie den Kopf und sagte: »Wir machen wieder Gewinne, Liam. Seit Juni schon.«
    »Sechs Monate hintereinander.« Liam lächelte.
    »Ich werde die Weihnachtsgratifikation erhöhen. Alle haben so hart gearbeitet.«
    »Besonders Sie, Maia. Ich gratuliere.«
    Sie sagte nichts. Sie wußte, daß er recht hatte. Sie hatte das Ruder herumgerissen, sie hatte die Banken beschwichtigt und ihren Angestellten in den schlimmsten Jahren der Depression ihre Arbeitsplätze erhalten. Sie hatte schwierige Entscheidungen treffen müssen, aber sie hatte die richtigen Entscheidungen getroffen.
    Maias helle Augen blitzten. »Wir bauen das neue Restaurant. Wir fangen gleich im neuen Jahr damit an.«
    Es war Samstag abend. Maia sah zum Fenster hinaus in den Regen, der auf die Dächer prasselte. Plötzlich sagte sie: »Das sollten wir feiern, Liam. Es gibt heute abend ein Ballett – mögen Sie Ballett?«
    Er machte ein verlegenes Gesicht. »Tut mir leid, Maia … es wäre ein Vergnügen, aber … also, ehrlich gesagt, ich habe schon etwas vor.«
    Zuerst glaubte sie, er spreche von der Irischen Gesellschaft oder vom Golfklub. Aber als sie ihn musterte, war ihr klar, daß das nicht der Fall war, und sie mußte den feinen Stich der Enttäuschung unterdrücken.
    »Liam – haben Sie eine junge Dame kennengelernt?«
    »Nicht mehr ganz so jung. Meine Wirtin. Eileen ist Witwe – wir sind seit Jahren befreundet, aber seit kurzem …« Er wurde rot.
    »Seit kurzem ist aus der Freundschaft mehr geworden?« Maia stand auf und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich erwarte eine Einladung zur Hochzeit.«
    Nachdem er gegangen war, blieb sie eine Weile versonnen stehen und lauschte dem Rauschen des Regens. Dann sah sie, daß es fast acht Uhr war, und packte ihre Aktentasche. Sie zog ihren Mantel an, setzte ihren Hut auf und ging. Auf dem Weg durch das dämmrig erleuchtete Kaufhaus verspürte sie wie immer eine Aufwallung von Stolz. Sie erinnerte sich, wie sie vor Jahren das erstemal hier hereingekommen war, fasziniert von den farbenprächtigen, glitzernden Auslagen, vom Glanz von Chrom und Glas, von der in Pastellfarben gehaltenen Einrichtung. Jetzt gehörte das alles ihr, und niemand konnte es ihr nehmen.
    Sie fuhr nach Hause, nahm ein Bad und aß allein zu Abend. Und während sie aß, nur von dem schwarzweiß gekleideten Mädchen bedient, begann ihre Hochstimmung in sich zusammenzufallen. Sie entließ das Mädchen, sobald es den Kaffee serviert hatte, und blieb lange am Tisch sitzen und starrte in die dunkle Flüssigkeit in der zierlichen kleinen Clarice-Cliff-Tasse.
    Nach dem Essen versuchte sie zu arbeiten. Sie breitete ihre Kurven und Diagramme auf dem Teppich vor dem Feuer aus und drehte das Radio an, weil es so still im Haus war. Sie hörte die Köchin und das Küchenmädchen gehen und wußte, daß sie allein war. Unfähig, sich zu konzentrieren, ging sie schließlich zur Vitrine und nahm ein Glas und die Flasche Gin heraus. Die Musik plätscherte im Hintergrund, ohne ihre Stimmung aufhellen zu können. Ich müßte doch glücklich sein, sagte sie sich. Warum bin ich nicht glücklich? An dem, was Liam ihr heute abend mitgeteilt hatte, lag es nicht. Niemals. Sie hatte nie mehr von Liam gewollt als freundschaftliche Zusammenarbeit. Du bist unfähig zu lieben, hatte

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