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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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gefährliche Dilemma, das D’Selle für sie geschaffen hatte: Sie konnte rasch handeln, um die Pest zum Erliegen zu bringen, würde damit aber die seltene Gelegenheit verschenken, das Geas einzufangen, wofür man sie zu Recht verdammen würde; oder sie konnte abwarten, das Geas hervorlocken und zu fangen versuchen, würde dabei aber das Risiko eingehen, dass die Seuche sich, wenn sie andere Ursachen hatte, ausbreitete und D’Shaa die Existenz kosten würde. Ob die Pest nun allein auf das Geas zurückging oder nicht, D’Selle hatte sie in sein feinsinniges Komplott aus Ursachen und Wirkungen eingebaut, ein Komplott, das er schon vor langer Zeit zu schmieden begonnen haben musste, denn es war jetzt schon so weit fortgeschritten, dass es nicht einfach vereitelt werden konnte. Mit Entsetzen wurde ihr bewusst, dass er sie in die Falle gelockt hatte. An diesem Glücksspiel wollte sie sich ganz gewiss nicht beteiligen, denn sie war eine unerfahrene Spielerin, und der Einsatz war viel zu hoch, aber jetzt konnte sie nicht mehr anders. Die Pest war in ihrer Region ausgebrochen, ob es ihr nun gefiel oder nicht. Das heidnische Hexenwerk war bereits losgelassen worden, und das nicht nur ein, sondern zwei Mal.
    Wie kam es, dass sie nichts davon vorausgesehen hatte? Die Ältesten würden keine Nachsicht mit jemandem üben, der solch bedeutende Ereignisse nicht voraussehen und verhindern konnte. Vielleicht würde man D’Selle sogar zu seinen Ränken beglückwünschen, denn es konnte kein Zweifel bestehen, dass er das Geas gezwungen hatte, sich zumindest in Ansätzen daran zu beteiligen. War es also D’Selle, der geholfen hatte, in Gottesgabe die Bedingungen zu schaffen, die den Einfluss des Geas gezwungen hatten, ans Tageslicht zu kommen? War er es, der sichergestellt hatte, dass alle besonders Unzufriedenen in derselben Gemeinde gelandet waren? Jetzt, da sie sich den Verstand des Predigers namens Praxis und den des starrsinnigen Helden namens Samnir genauer ansah, erkannte sie, dass beide in jüngeren Jahren im Westen gelebt hatten! Das konnte kein Zufall sein. Und die Vorfahren der Eltern des Jungen waren ursprünglich auch aus der westlichen Region gekommen, um bei der Besiedlung des Südens zu helfen. Sie mussten damals bestimmte Überlieferungen und Rituale mitgebracht und über Generationen hinweg bewahrt haben, die zwischenzeitlich Katastrophen wie die in Neu-Heiligtum verursacht hatten.
    D’Shaa erschauerte, denn sie wusste, dass ihre Tage gezählt waren, dass es vielleicht schon zu spät war, sich noch zu retten.
    Jillan stapfte Richtung Erlöserparadies, die meiste Zeit in den Wäldern statt auf der Straße, um den Regengüssen auszuweichen, die immer wieder aufs Pflaster niedergingen. Es gab allerdings keinen richtigen Schutz dagegen, weil er die immergrünen Bäume um Gottesgabe weit hinter sich gelassen hatte: Die Bäume hier waren stahlgrau und größtenteils kahl. Windstöße zerrten an ihm und peitschten unablässig auf ihn ein. Es war eine unwirtliche Gegend in kalten, metallischen Farben.
    Der Himmel war von tief hängenden Wolken bedeckt, drückte ebenso gegen Jillans Stirn, wie sein Bündel ihm die müden Schultern herabzog, sodass er haltmachen musste, obwohl es hier keinen anständigen Unterschlupf gab. Er verspürte keinen nennenswerten Appetit, beschloss aber, sich zu zwingen, etwas zu essen, in der Hoffnung, dass es ihn mit etwas Energie versorgen würde. Er kaute auf einem trockenen Brotkanten herum, aber der schmeckte nach nichts und sorgte nur dafür, dass Jillan sich noch erschöpfter als zuvor fühlte. Du hättest mehr Freude daran gehabt, deine Stiefelsohlen zu essen. Er fand ein paar alte Bucheckern auf dem Boden und kaute ein bisschen auf ihnen herum, aber sie schmeckten nach schimmeligem Holz und Schlamm, also spie er sie wieder aus.
    Er schleppte sich weiter von der Straße weg, zog seine Decke aus dem Bündel und rollte sich auf einem leidlich trockenen Fleck toten Laubs zusammen. Es kümmerte ihn nicht, wie spät es war. Er sehnte sich verzweifelt nach Schlaf.
    » Also bist du ein Mörder und Dieb, Junge«, warf der Leichnam des Häuptlings ihm vor und atmete Mulch und Verwesung aus, die Jillan in Mund und Nase drangen.
    Jillan prustete und schaute zu dem ausgetrockneten Körper auf, der über ihn gebeugt stand. Die Überreste schlohweißen Haars und das vorspringende Kinn des Kriegers waren noch immer zu erkennen. » D…du bist tot!«
    Der Häuptling lachte leise. » So ziemlich. Aber du

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