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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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anlegte und mit einem Auge das Dreieck mit den Bällen fixierte, starrte
Rebus auf die Kneipentür. Ist schon okay, dachte er. Holmes war nicht im Dienst und hatte eine
Frau dabei. Das gab ihm wohl das Recht, seinen Vorgesetzten zu ignorieren. Vielleicht hatte er
auch nichts erreicht, und es gab nichts zu berichten. Auch in Ordnung. Doch Rebus wurde den
Gedanken nicht los, dass das Ganze als Brüskierung gemeint war. Er hatte Holmes ganz schön
heruntergeputzt, und jetzt schmollte er.
»Du bist dran, John«, sagte McCall, der keinen Ball eingelocht hatte.
»Klar doch, Tony«, sagte Rebus und rieb die Spitze seines Queues mit Kreide ein. »Sofort.«
McCall stellte sich neben Rebus, der sich gerade über das Queue gebeugt hatte.
»Das muss so ungefähr das einzige nicht-schwule Pub in der ganzen Straße sein«, sagte er
leise.
»Weißt du, was Homophobie bedeutet, Tony?«
»Versteh mich nicht falsch, John«, sagte McCall und richtete sich auf, um zu beobachten, wie
Rebus' Ball das Loch verfehlte. »Ich meine, jedem das Seine und so. Aber einige von diesen Pubs
und Clubs...«
»Du scheinst ja eine Menge darüber zu wissen.«
»Nein, eigentlich nicht. Man hört nur so einiges.«
»Von wem?«
McCall lochte einen gestreiften Ball ein, dann noch einen. »Na hör mal, John. Du kennst Edinburgh
genauso gut wie ich. Jeder weiß doch über die schwule Szene hier Bescheid.«
»Wie du schon sagtest, Tony, jedem das Seine.« Plötzlich tauchte eine Stimme in Rebus' Kopf auf: Du bist der Bruder, den ich nie hatte. Nein, nein, bloß nicht dran denken. Diese
Erinnerung hatte ihn schon zu oft gequält. McCall versiebte den nächsten Stoß, und Rebus trat
wieder an den Tisch.
»Wie kommt es nur«, sagte er, während sein Stoß völlig verunglückte, »dass du so viel trinken
kannst und dann immer noch so gut spielst?«
McCall lachte in sich hinein. »Alkohol ist gut gegen den Tatterich«, sagte er. »Also trink dieses
Pint aus, und ich hol dir ein neues. Meine Runde.«
James Carew meinte, dass er sich ein bisschen Spaß verdient hätte. Er hatte gerade ein
stattliches Haus an den Finanzdirektor einer Firma verkauft, die neu in Schottland war. Außerdem
hatte ein Architektenpaar, das ursprünglich aus Schottland stammte und nun wieder aus Sevenokas
in Kent hierher zurückkehrte, ein besseres Angebot als erwartet für ein Drei-Hektar-Grundstück in
den Borders gemacht. Ein guter Tag. Bei weitem nicht der beste, aber trotzdem ein Grund zum
Feiern.
Carew selbst besaß ein pied à terre in einer der schönsten georgianischen Straßen der New
Town und ein Bauernhaus mit einem Stück Land auf der Insel Skye. Die Zeiten waren günstig für
ihn. London verlagerte sich anscheinend nach Norden, und die Neuankömmlinge hatten die Taschen
voller Geld von den Immobilien, die sie im Südosten verkauft hatten. Sie suchten größere und
bessere Häuser und waren auch bereit, dafür zu zahlen.
Um halb sieben verließ er sein Büro in der George Street und kehrte in seine Wohnung zurück, die
sich über zwei Etagen erstreckte.
Wohnung? Diese Bezeichnung schien schon fast eine Beleidigung: fünf Schlafräume, Wohnzimmer.
Esszimmer, zwei Bäder, gut ausgestattete Küche, begehbare Wandschränke, die so groß waren wie ein
anständiges Apartment in Hammersmith... Carew war am richtigen Ort, dem einzig richtigen Ort, und
die Zeit war auch gerade richtig. Dieses Jahr musste man jede Chance nutzen, es war ein Jahr wie
kein anderes. Er legte im Hauptschlafzimmer seinen Anzug ab, duschte und zog sich anschließend
etwas Legereres an, das aber trotzdem teuer aussah. Er war zu Fuß nach Hause gegangen, doch heute
Abend würde er das Auto brauchen. Es stand in einer Garage, die man über eine kleine Straße auf
der Rückseite seines Hauses erreichte. Der Schlüssel hing am gewohnten Haken in der Küche. War
der Jaguar ein übertriebener Luxus? Er schloss lächelnd die Wohnung hinter sich ab. Vielleicht
ja. Doch die Liste seiner Laster war schon lang und würde gleich noch länger werden.

Rebus wartete mit McCall, bis das Taxi kam. Er gab dem Fahrer McCalls Adresse und beobachtete,
wie der Wagen losfuhr. Verdammt, er fühlte sich selber ziemlich angeschlagen. Er ging in das Pub
zurück und steuerte auf die Toilette zu. In der Bar herrschte jetzt mehr Betrieb, und die
Musikbox war lauter. Das Personal hinter der Theke war von einer auf drei angewachsen, und sie
mussten hart arbeiten, um mit dem Andrang fertig zu werden. Die

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