Daughter of Smoke and Bone
Imperator nicht sehr groß und musste zu Akiva aufsehen, während er ihn taxierte.
»Ich erinnere mich an deine Mutter«, sagte er schließlich.
Akiva blinzelte. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Du hast ihre Augen«, fuhr der Imperator fort. »Sie sind einfach unvergesslich, nicht wahr?«
Tatsächlich erinnerte Akiva sich an sie, obwohl er sonst kaum noch etwas von seiner Mutter wusste. Der Rest ihres Gesichts war verschwommen, und ihren Namen hatte er nie gewusst, aber er wusste, dass er ihre Augen hatte. Joram schien auf eine Antwort zu warten, also bestätigte er: »Ja, ich erinnere mich.« Es fühlte sich an wie ein Verlust, als würde er dem Imperator mit diesem Eingeständnis das einzige Erinnerungsstück an seine Mutter überlassen.
»Schrecklich, was mit ihr passiert ist«, sagte Joram.
Akiva erstarrte. Er hatte keine Ahnung, was aus seiner Mutter geworden war, nachdem die Soldaten ihn geholt hatten, und das wusste der Imperator sicherlich ganz genau. Joram versuchte ihn zu ködern, damit er fragte:
Was? Was ist mit ihr passiert?
Aber Akiva fragte nicht, und Joram fuhr mit einem grausamen Lächeln fort: »Aber was kann man von den Stelianern schon erwarten? So ein wilder Stamm. Fast so schlimm wie die Bestien. Pass auf, dass sich ihr Bluterbe nicht durchsetzt, Soldat.«
Damit ging er davon und ließ Akiva mit dem Schmerz in seiner Schulter und einer Frage zurück, die er sich nie zuvor gestellt hatte und die ihn nun plötzlich umzutreiben begann:
Was für ein Bluterbe?
Stimmte es, dass seine Mutter zum Stamm der Stelianer gehörte? Warum sollte Joram sich eine stelianische Konkubine nehmen? Er hatte keine diplomatischen Beziehungen mit jenem »wilden Stamm« der Fernen Inseln, abtrünnigen Seraphim, die niemals ihre Frauen als Tribut ausgeliefert hätten. Wie hatte es sie also hierher verschlagen?
Die Stelianer waren für zwei Dinge bekannt. Das erste war ihre Unabhängigkeit, um die sie erbittert kämpften – sie waren nicht Teil des Imperiums, weil sie sich über Jahrhunderte hinweg geweigert hatten, sich den anderen Seraphim anzuschließen.
Das zweite war ihre Begabung für Magie. In den fast vergessenen Tiefen der Geschichte der Seraphim hieß es, dass der erste Magi ein Stelianer gewesen sei, und es kursierte das Gerücht, dass sie noch immer eine Form der Magie beherrschten, die dem Rest von Eretz verlorengegangen war. Joram hasste sie, weil er sie weder besiegen noch unterwandern konnte, jedenfalls nicht, solange er all seine Streitkräfte auf den Krieg mit den Chimären konzentrieren musste. Unter den Bewohnern der Hauptstadt, in der die Gerüchteküche brodelte, gab es jedoch keine Zweifel daran, wer das nächste Angriffsziel war, wenn die Chimären erst einmal besiegt waren.
Was aus seiner Mutter geworden war, fand Akiva nie heraus. Der Harem war eine geschlossene Welt, und er konnte nicht einmal herausfinden, ob es je eine stelianische Konkubine gegeben hatte, geschweige denn, was aus ihr geworden war. Aber für ihn selbst hatte die Begegnung mit seinem Vater weitreichende Folgen: In seinem Inneren entstand eine Verbundenheit mit jenen Fremden, die sein Blut teilten, und eine Wissbegier nach Magie.
Er war mehr als ein Jahr in Astrae, und abgesehen von der Physiotherapie und ein paar Stunden Training jeden Tag, in denen er junge Soldaten in der Schwertkunst ausbildete, konnte er mit seiner Zeit anfangen, was er wollte. Nach jenem schicksalshaften Tag machte er das Beste aus seinem Aufenthalt. Für Magie musste man einen Tribut an Schmerzen zahlen, und dank seiner Wunde hatte er davon einen unendlichen Vorrat. Er beobachtete die Magi – für die er als Soldat so gut wie unsichtbar war – und lernte rasch die Grundkenntnisse, angefangen mit Beschwörungen. Nachts übte er an Fledermauskrähen und Kolibrimotten, steuerte ihre Flugrichtung, scharte sie zu V-förmigen Formationen zusammen wie Wintergänse und rief sie zu sich herunter, wo sie auf seiner Schulter oder auf seiner ausgestreckten Handfläche landeten.
Es war einfach; er machte schnell Fortschritte. Bald stieß er an die Grenzen des Bekannten, was nicht viel hieß – was in dieser Zeit als Magie durchging, war nicht viel mehr als Tricks und Illusionen. Er bildete sich nie ein, dass er ein echter Magier war, aber er war einfallsreich, und im Gegensatz zu den höfischen Scharlatanen, die sich selbst Magi nannten, musste er sich nicht auspeitschen, verbrennen oder schneiden, um die Macht heraufzubeschwören – er hatte
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