Dave Duncan
voranzubringen.
Azak, vom absoluten Monarchen zum Gast und Touristen degradiert, war angespannt und griesgrämig. Eigaze plapperte vor sich hin, konnte aber ihre Nervosität nicht verbergen. Inos war wie benommen und konnte die Erinnerung an Rap nicht aus ihrem Kopf verbannen. Alles war schiefgegangen, und es war ihre Schuld, weil sie nicht auf die göttliche Warnung gehört hatte. Die heutige Abrechnung war vorherbestimmt gewesen, sei es hier oder im entfernten Nintor, doch Kalkor hätte gegen einen durch okkulte Kräfte gestählten Rap kämpfen sollen, nicht gegen einen brutalen Berufskiller. Mord of Grool, also wirklich! Schon der Name degradierte den Kampf zu einem gemeinen öffentlichen Spektakel.
Außerdem hätte ihre Königswürde auf dem Spiel stehen sollen, nicht Angilkis törichtes Theater.
Irgendwo hatte man Gewänder gefunden, die Azak paßten. Vielleicht waren sie in der Nacht für ihn angefertigt worden. Auch Inos hatte angemessene Kleider erhalten. Sie wußte nicht, wem sie gehörten – offensichtlich nicht Eigaze –, zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit reiste sie unverschleiert. Ihre Gastgeberin und deren Mädchen hatten ihr Bestes getan, um die Narben mit Kosmetik zu verdecken, doch die Schwellungen und die Vereiterungen ließen sich nicht verbergen. Vermutlich ging die Farbe schon ab. Inos würde den Regenten und seinen Hof kennenlernen und dabei wie ein Ungeheuer aussehen.
Epoxague war ganz gelassen, aber nicht gesprächig. Er war ein. Mann mit viel Macht, ein Vertrauter des Imperators und des Regenten, dennoch riskierte er um Inos willen offensichtlich den Zorn des Imperiums. Ohne seine Hilfe säße sie jetzt in irgendeinem scheußlichen Gefängnis. Sie hätte dankbar und glücklich sein sollen. Warum konnte sie nicht ihr Bedauern bezwingen? Warum diese eigenartige Vorahnung? Angenommen, der grauenvolle Kalkor würde tatsächlich gewinnen! Angenommen, der Kampf würde abgesagt und das Volk würde aufbegehren, wie es der Senator vorhergesagt hatte! Der Tag besaß das Potential für unendlich viele Katastrophen.
Sie würde bei Hofe eingeführt werden. Selbst Kade war diese große Ehre niemals zuteil geworden. Auch um Kades willen trauerte Inos – arme Kade! Im entlegenen Arakkaran gestrandet und wieder der Gelegenheit beraubt, ihren Lebenstraum zu verwirklichen und Hub zu sehen… wäre sie hier gewesen, hätte sie die vielen großartigen Gebäude bestaunt und hätte wie ein aufgeregter Vogel gezwitschert.
Sogar Eigaze schwieg jetzt.
»Eminenz«, sagte Inos plötzlich, »erzählt mir etwas über den Regenten.«
Epoxague zog seine Augenbrauen hoch. »Ythbane? Er hat diese Position erst seit vier oder fünf Wochen inne…«
Er dachte einen Augenblick nach und sprach schließlich noch vorsichtiger als am Abend zuvor, als er von den Wächtern erzählt hatte.
»Es sind schwere Zeiten für das Impire, Inos. Man könnte es natürlich auch als Verrat auffassen, doch manche sagen, uns stünde das Ende der Dynastie bevor. Aus Agraines Linie sind uns viele große Imperatoren erwachsen, und vielleicht die größte Imperatorin überhaupt, Abnila. Emshandar war – ist – ein großer Mann, doch seine Regentschaft steht unter dem Fluch, glücklos zu sein. Sowohl seine Frau als auch sein Sohn starben beide jung, und jetzt ist er Opfer einer schweren Krankheit.«
Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Sein Enkel scheint ein Schwächling zu sein. Seine Tochter Orosea ist ein freundlicher Mensch, aber man kann sie sich nur schwer als Nachfolgerin ihrer Urgroßmutter vorstellen.«
»Der Regent?« hakte Inos nach.
Epoxague lächelte schwach, als er sich in die Ecke getrieben sah.
»Ihr werdet ihn vermutlich charmant finden! Er ist charmant! Seine Herkunft liegt im dunkeln, und er tut das seine dazu, aber man nimmt allgemein an, daß Merfolkblut in ihm fließt. Das ist selten. Ein paar Boote der Merfolk sind irgendwo an der Küste vom Sturm angespült worden – das geschieht recht häufig, und das Ergebnis ist immer blutig. Wenn ein Merjunge angespült wird, verfolgen die einheimischen Frauen ihn, und folglich erstechen die Männer ihn. Dasselbe gilt natürlich für die Merfrauen. Selten überlebt eines der daraus entstehenden Kinder und wird aufgezogen. Sobald es erwachsen ist, kommt es unvermeidlich zu denselben Folgen…«
Er lenkte ihren Blick auf sich und sah, daß sie sich nicht ablenken ließ. »Ythbane also. In seinem Fall gab es anscheinend eine zweite Generation. Es heißt, sein
Weitere Kostenlose Bücher