Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird
einmischen. Erst nach einer Weile holte ich tief Luft und brachte ein paar Worte über meine Lippen.
"Hey, Schatz."
Meine Stimme war nur ein leichter Hauch in der Luft, doch meine Schwester verstand es mit Leichtigkeit.
"Hy"
Zuerst blieb sie noch ernst und distanziert, doch dann wanderte ihr Blick meinen nackten Körper hinab und ihre Gesichtszüge wurden mitfühlend und traurig.
Ich selbst wagte kaum einen Blick auf mein Eigentum. Mein gesamter Körper war mit Blut verklebt und die Wunde in meiner Brust war noch nicht vollständig verheilt. Außerdem war meine Schulter noch eine reine Katastrophe. Hautfetzen standen ab und ich dachte schon, ich würde meine Schulterknochen erkennen. Vor Ekel drehte ich meinen Kopf wieder zu ihr.
"Oh, das waren nur heftige blutende Kratzer, mehr nicht."
Schlechte Lüge. Ihre Augen musterten mich misstrauisch und in diesem Moment wusste ich, dass ich meiner Stimme vertrauen konnte.
"Es tut mir so leid. Seit letzter Nacht bin ich ein Sunnyvamp. Ein Vampir, der das Tageslicht liebt. Verstehst du? Auch sie ...", ich zeigte hinter mich,
"... sind erst seit gestern welche."
Jetzt schüttete ich mein stilles Herz vor ihr aus.
"Ich kann noch immer so leben wie früher, mit ein paar Einschränkungen. Ich atme und fühle. Okay, ich bin viel zu heiß und mein Herz hat aufgehört zu schlagen, doch ich wollte das alles nicht. Ich liebe dich Lil. Noch immer. Mehr als alles andere. Doch wenn du mich, so wie ich bin, nicht akzeptierst, dann wäre ich den Rest meines Lebens innerlich zerbrochen. Ich denke, dass das sehr lange sein wird."
Tränen rollten über die Wangen meiner Schwester. Ihre Augen hatten sich gerötet und ihr Haar war zerzaust. Erst als sie ihre Ärmchen um mich schlang, bemerkte ich wie erschüttert sie war. Krank fühlte sie sich nicht mehr an, aber total erledigt.
"Sorry San. Ich wusste, du würdest noch genau so sein, wie vorher. Doch es war so schrecklich. Zuerst wurde ich aus dem Fenster gezerrt, von richtig kalten Händen."
In ihren Erinnerungen gefangen, fing sie an zu zittern. Eilig fuhr ich ihr über das Haar. Es schien sie ein wenig zu beruhigen.
"Jemand hatte mich festgehalten und immer wieder Schimpfwörter gezischt. Und dann kamst du, San. Es hört sich jetzt bestimmt so an, als würde ich von einem Superhelden reden, doch so war es nicht. Es war so schrecklich.
Du hattest geglüht und geleuchtet. Scharfe, spitze Zähne hatten mich geblendet und deine Augenfarbe hatte getanzt und geflackert. Noch dazu kam, dass du nackt warst.
Es war so schlimm und als die kalten Hände mich losgelassen hatten, hattest du mich angefaucht wie ein wütendes Tier. Ich hatte nicht verstanden, was du von mir wolltest. Aber ich hatte meine Füße in die Hand genommen und bin gerannt."
Sie verstummte. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da es auf meinem Bauch lag und zu Boden blickte. Doch ganz sanft hörte ich sie schluchzen.
"San? Haben wir nun kein Zuhause mehr?", flüsterte sie schwach in die nackte Haut.
Meiner Schwester reichte es, dass ich ihr keine Antwort gab. Ich blickte stur geradeaus und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
Sie war meine Schwester. Meine Lil.
Lil, deren Herz schlug. Deren Puls raste und deren Blut rauschte. Lil, die gerne Gemüseeintopf aß und Orangensaft trank. Jedoch war sie auch die Lil, die schwach und verletzlich war, und die, die sich nicht der Welt widersetzten konnte.
Ich versprach mir, sie nie wieder im Stich zu lassen und sie zu beschützten, egal was es kostete. Meine Gedanken schweiften mal hierhin und mal dorthin und so spürte ich nicht, dass mir Isabell auf die Schulter geklopft hatte. Erst als sie mich leicht schüttelte, verdiente sie meine Aufmerksamkeit.
"Hmm?"
Ihr Nicken deutete auf Lil. Meine Schwester blickte mich fragend, mit geröteten Wangen an.
"Oh, tut mir leid. Komm frag nochmal?"
"Mom ist ... tot, oder? Lüg nicht. Ich weiß es. Immer wenn ich an sie denke, dann ist da nur eine leere Stelle in meinem Bauch. Ihr Gesicht verblasst. Sie ist tot."
Der letzte Satz war keine Frage mehr. Sie wusste es und wieder traten ihr Tränen in die Augen. Ich wollte mit ihr weinen, aus Respekt und Liebe. Doch ich konnte nicht und im Inneren war ich eigentlich glücklich darüber, es ihr nicht mehr sagen zu müssen.
Langsam ließ sie ihren Kopf wieder auf meinen Bauch sinken. Noch eine Weile blieb ich so stehen, doch danach drehte ich sie zu mir herum. Ihre Augenlider waren zugefallen und sie musste darum kämpfen sie
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