Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Wand krachte.
Sie fuhr herum. Ihr Gesicht war rot und verquollen, die Wimperntusche überall verschmiert. »Du!«, bellte sie und wischte sich mit ihrem Ärmel über das Gesicht. »Komm her.«
Sie schien dermaßen am Rad zu drehen, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu begreifen, dass sie mit mir sprach. Ohne ihr eine Antwort zu geben, drehte ich mich um und machte mich auf zu meinem Zimmer.
»Warum lungerst du ständig vor meiner Tür rum?«, fragte sie und reckte ihren Kopf hinaus auf den Flur. »Glaubst du etwa, ich will mit dir reden?«
Ich ging weiter.
»Glaubst du etwa, du bist interessant oder was, nur weil du nicht gestorben bist?«
Ich holte tief Luft und versuchte mir einzureden, dass es das Umdrehen einfach nicht wert war.
»Weil du mitten in der Stunde einen Anfall gehabt hast? Was hast du überhaupt für ein Problem? Bist du so eine Art Freak?«
Ich sah hinab auf meine Hände und merkte, dass sie zu Fäusten geballt waren.
»Warum antwortest du mir nicht? Haben dir deine Alten nicht das Sprechen beigebracht?«
Das ließ mich herumwirbeln. »Ich hab nie gesagt, dass ich interessant bin«, giftete ich, lauter, als ich vorgehabt hatte. »Und natürlich kann ich dich hören. Jeder kann dich hören.« Es tat überraschend gut, endlich mal loszubrüllen. Vielleicht war es das, was ich die ganze Zeit gebraucht hatte. »Ich
lungere
nicht vor deinem Zimmer rum. Ich verlauf mich nur. Und ich glaub wirklich nicht, dass
du
es dir erlauben kannst, hier irgendwen als Freak zu bezeichnen.«
Sie funkelte mich an. »Was soll das bitte heißen?«
Ich musterte ihre beschissene Haarfärbung, ihre zusammengewürfelte Kleidung, ihre künstlichen Fingernägel. »Du siehst einfach lächerlich aus.«
»Du auch!«, gab sie zurück und fuchtelte wild mit ihren Händen herum. »Und du bist besessen!«
Wir atmeten beide tief durch und standen einander schweigend gegenüber, als wären uns plötzlich die Spielregeln entfallen. Hinter mir hörte ich, wie sich ein paar Mädchen im Flur versammelten.
»Oh, Schlammschlacht zwischen Hexe und Lügnerin«, kommentierte Clementine, wieder die Hand in der Hüfte. Sie trug Hausschuhe und ihr kurzes Haar war mit einigen Klammern zurückgesteckt. Unter ihrem Hofstaat erhob sich Geflüster.
Ich bastelte noch an meiner Retourkutsche, als Anyas Stimme schneidend durch den Flur tönte. »Dreißigster Juli. Schon vergessen?«, sagte sie mit dunklem, selbstsicherem Blick. »Ich nämlich nicht.«
Verwirrt warf ich einen Blick auf Anya und dann auf Clementine, die sie wutentbrannt anstarrte. Ihre Freundinnen schienen genauso baff zu sein wie ich.
Clementine lachte nervös auf. »Soll das eine Drohung sein?«
»Ja«, antwortete Anya schlicht.
»Wovon redet die?«, fragte Josie, eine von Clementines Freundinnen mit Schmollschnute. Ich hatte schon zusammen mit ihr Unterricht gehabt.
Clementine sah eindeutig unbehaglich drein. Sie eiste ihren Blick von Anya los und wandte sich an ihre Freundinnen. »Nicht die leiseste Ahnung«, sagte sie, obwohl das ganz offensichtlich nicht stimmte. »Kommt, weg hier.«
Nachdem alle abgezogen waren, drehte ich mich zu Anya um. »Was war das? Mit dem dreißigsten Juli?«
»Ach, nichts«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns. »Nur eins von Clementines kleinen Geheimnissen, über das ich diesen Sommer zufällig gestolpert bin.«
»Erpresst du sie etwa?«
»Keineswegs«, sagte Anya und ihre Stirn kräuselte sich ganz leicht. »Ich verlange gar nichts dafür. Nur, dass sie mich in Frieden lässt.«
»Aber ist das nicht auch –«
Anya fiel mir ins Wort. »Findest du wirklich, ich seh lächerlich aus?« Sie wickelte sich eine rote Haarsträhne um den Finger und sah mich durchdringend an.
Was sollte man darauf antworten? »Nein«, log ich schließlich.
Sie sah mich skeptisch an. »Warum hast du’s dann gesagt?«
»Ich war sauer.«
Sie rieb sich über die Wange und verteilte die Wimperntusche noch großflächiger. »Also, du entschuldigst dich?«
Ihre Worte trafen mich unerwartet. »Nein«, sagte ich. »Nicht, bevor du nicht mich um Entschuldigung gebeten hast.«
»Aber du hast mich zuerst beleidigt.«
Fassungslos schüttelte ich den Kopf. »So hab ich das aber nicht in Erinnerung.«
»Meinetwegen. Entschuldigung«, nuschelte sie so schnell, dass es mir beinahe entgangen wäre. »Jetzt musst du mit reinkommen.«
»Was? Warum?«
»Weil ich mich als Erste entschuldigt habe; jetzt musst du’s bei mir wieder wettmachen.«
»Ich muss
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