Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
gerät in Schwierigkeiten … zweimal. Dummes Mädchen. Dummes, dummes Mädchen!«
Dann fing die alte Frau bitterlich an zu weinen.
30
Decker machte, es sich auf dem Fahrersitz des Plymouth bequem und nahm ein Sandwich aus einer Papiertüte. Er spürte den Blick so stark wie brennende Pfeile, die auf ihn abgeschossen wurden, und sah zum Beifahrersitz … Marges traurige Augen ruhten auf ihm. Er gab ihr die Hälfte ab.
»Das ist aber nicht nötig, Pete.«
»Ich krieg heute Abend eh noch ein großes Essen.« Er sah auf seine Uhr – gerade mal eins. Bis zum Abendessen waren es noch sieben Stunden. Aber was soll’s? Würde er sich eben mit Kaffee vollpumpen. »Mach dir keine Gedanken deswegen. Also, was meinst du, Doc?«
»Wieso Doc?« Marge biß in das Sandwich. »Sollen wir mit Kingston Merritt anfangen?«
»Schieß los.«
»Ich frag mich, ob Lilah nicht vielleicht doch wußte, daß King ihr Daddy war und daß sie sich deshalb so schuldig an seinem Tod fühlt.«
»Hat sie denn irgendwie angedeutet, daß Kingston ihr Vater sein könnte?«
»Nun ja, sie hat ihn als dominant bezeichnet, hat aber auch gesagt, er hätte es aus Liebe gemacht. Würde das ein Kind nicht eher über den Vater als über den Bruder sagen?«
»Yeah, Marge, aber wir dürfen nicht vergessen, daß Merritt für sie praktisch Vaterfunktion hatte. Und nicht nur nach dem, was er dir erzählt hat. Goldin und Reed haben es genauso dargestellt.« Decker trank einen Schluck Kaffee aus der Thermosflasche. »Im Augenblick hat es wohl keinen Sinn, Lilah zu fragen, was sie weiß. Ihr bedeutet es soviel, die Tochter von Hermann Brecht zu sein. Ich möchte ihr nicht was erzählen, was sie wieder in den Wahnsinn treibt.«
»Pete, ich glaube, die Lady hat schon immer am Rande des Wahnsinns gestanden.«
Decker schraubte seine Thermosflasche zu. »Da ist was dran.«
»Also was hat sich nun genau in Deutschland abgespielt?« fragte Marge. »King hat die Tochter dieser Frau geschwängert, und die Tochter hat Lilah Davida gegeben, damit die sie wie ihr eigenes Kind aufzieht?«
»Yep. Greta war Davidas Privatschneiderin. Das bedeutete, daß sie häufig zur Anprobe ins Haus kommen mußte. Greta hat ihre Töchter als Hilfe mitgebracht. Sie hat versucht, ihre Mädels an der Kandare zu halten, aber die Hormone haben gesiegt. Heidi fiel King ins Auge, und die Natur nahm ihren Lauf. Sie waren beide erst fünfzehn. Laut Greta war Davida nur zu bereit, das Baby zu nehmen. Und Hermann hatte offenbar auch nichts dagegen. Da Davida bereits über vierzig war, war die Chance, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, ziemlich gering. Hermann war froh, daß er jemand hatte, an den er seinen Namen weitergeben konnte. Der einzige, der über diese Regelung nicht glücklich war, war Kingston. Nicht daß er Heidi gewollt hätte, aber er war wütend, daß Hermann einfach sein Kind übernahm.«
»Erinnerst du dich, was John Reed uns über die Party anläßlich von Lilahs Geburt erzählt hat?« sagte Marge. »Wie Merritt und Hermann aneinandergeraten sind?« Sie leckte sich die Finger. »Jetzt ergibt das alles einen Sinn.«
»Ja, das tut es. Greta erinnerte sich, daß zwischen den beiden viel Haß war und ein heftiger Konkurrenzkampf bestand. Sie waren nur sieben Jahre auseinander. Als Hermann dann auch noch Heidi schwängerte, war Kingston außer sich vor Wut. Erst hat Hermann ihm sein Baby gestohlen, dann sein Mädchen. Hermann war offenbar eh ein ziemlicher Schürzenjäger. Er und Davida haben sich ständig wegen seiner Eskapaden gestritten. Der gute Hermann hat dann einen echten Coup gelandet, als er Heidi schwängerte. Damit hat er seine Frau und seinen Stiefsohn gegen sich aufgebracht. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum Kingston – der Hermann doch gehaßt hat – das Spielchen als älterer Bruder mitgespielt hat.«
»Nach deinen eigenen Worten, Pete, hatte King nach Brechts Tod für Lilah Vaterfunktion«, sagte Marge. »Warum soll man Schmutz aufwirbeln, wenn man bereits hat, was man will? Oder vielleicht hat King aus Rücksicht auf Davida nichts gesagt.«
Decker dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht ist es genau dieses Geheimnis, um das es in den Memoiren geht. Davida wollte nicht, daß rauskommt, daß King Lilahs Vater ist.«
»Oder daß Hermann der Vater von Freddy war. Apropos, warum wurden die Memoiren überhaupt Lilah vermacht und nicht Freddy -Hermanns leiblichem Sohn?«
»Um den Schein zu wahren, nehm ich an«, sagte Decker. »Lilah war
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