Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
auf, seine Tochter anzurufen?
»Hat Cindy angerufen?«
»Nein.«
»Super.«
Rina nahm seine Hand, sagte aber nichts. Cindy tat ihm weh, und sie konnte absolut nichts dagegen tun. Sie konnte ihn noch nicht mal trösten. Das Thema Tochter war genauso tabu wie seine Schußverletzung. »Rabbi Schulman hat vor etwa einer Stunde angerufen. Er erwartet dich heute Abend um neun in seinem Arbeitszimmer.«
»Geht in Ordnung.«
»Er hat mir erzählt, er hätte noch einen anderen Mann dazugebeten. Einen baal teschuwah , der in der unteren schiur ist …«
»Es gibt tatsächlich jemanden, der noch unter mir ist?«
Rina antwortete nicht. Sie konnte nicht vertragen, wenn er sich selbst so herabsetzte. Seine Fortschritte im Studium der Torah waren ein weiteres Tabuthema. Der Judaismus war eine schwierige Religion für einen Anfänger. Obwohl Peter großartige Fortschritte gemacht hatte, fühlte er sich immer noch unsicher in seinem neuen Glauben – er war nervös wegen der Dinge, die er nicht wußte, anstatt sich für das zu loben, was er wußte. Dabei war er so klug. Wenn er sich doch nur entspannen und sich über die Intelligenz freuen könnte, die Gott ihm geschenkt hatte. »Rav Schulman hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du einverstanden bist. Er meinte, du wärst ein perfektes Vorbild für den Neuling.«
»Kein Problem.«
Sein Gesicht blieb unbewegt. Er schien das Kompliment überhaupt nicht zu registrieren. Rina legte ihm einen Arm um die Taille. »Soll ich dir ein heißes Bad einlaufen lassen?«
»Danke, Darling, aber ich warte bis nach dem Essen mit dem Baden.«
Erneut starrte er sehnsüchtig zu den Jungen. Rina wußte, er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu reiten und dem Schmerz, den er dabei ertragen müßte.
»Guck mal, Peter«, rief Jacob seinem Stiefvater zu und raste wieder auf den Berghang zu.
»Ich wünschte, sie würden nicht so schnell reiten«, sagte Rina.
»Sie machen das schon ganz prima.«
»Warum reitest du nicht raus und paßt ein bißchen auf die beiden auf? Du könntest doch White Diamond nehmen, Peter. Sie ist sanft und wird dich nicht allzu schlimm durchschütteln.«
Mit zusammengebissen Zähnen sagte Decker: »Ich hab dir doch gesagt, mir fehlt nichts.«
Rina seufzte. »Das hast du. Und zwar sehr überzeugend, darf ich vielleicht hinzufügen.«
»Okay.« Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Okay, ich will ganz ehrlich sein. Mir tut der Arm ein bißchen weh.« Nach diesem Eingeständnis nahm er zwei Advil-Tabletten heraus und spülte sie mit einem Schluck Bier hinunter. »In wenigen Minuten geht’s mir wieder prima, aber im Augenblick ist es ein bißchen unangenehm. Du hast gewonnen. Ich habe über meine Gefühle gesprochen. Bist du jetzt zufrieden?«
»Ich steh immer noch unter Schock.«
Decker schlang lachend seinen linken Arm um sie. »Du bist ein guter Kumpel, weißt du das?«
»Ja, das weiß ich.«
Die Jungen ritten den Hang hinauf.
»Nicht so weit!« brüllte Rina. »Kommt zurück!«
Ohne auf das Bitten ihrer Mutter zu achten, ritten sie weiter den steilen Pfad hinauf.
»Peter, sag ihnen, sie sollen aufhören!«
»Laß ihnen doch ihren Spaß.«
»Es wird langsam dunkel. Sie werden sich verirren.«
»Sie kommen schon zurecht, Darling. Reg dich nicht auf.«
»Ich reg mich nicht auf. Ich mach mir nur Sorgen. Das ist ein Unterschied.«
»Na schön«, sagte Decker mit gequälter Stimme. »Ich seh schon, daß du keine Ruhe gibst, bis ich ihnen nachreite. Ich werd’ mich noch nicht mal umziehen. Bist du jetzt zufrieden, Rina?«
»Wenn dein Arm …« Sie verstummte. »Ja, jetzt bin ich zufrieden, Peter.«
»Na wunderbar.« Er drückte einen Kuß auf ihre Stirn und brummelte im Fortgehen vor sich hin. Doch in seinem tiefsten Inneren war er überglücklich, daß sie ihm einen Vorwand gegeben hatte zu satteln. Und nicht White Diamond für Cowboy Pete. Zum Teufel mit den Schmerzen, er würde sich Cobra schnappen, den größten verdammten Hengst im Stall. Hoch zu Roß – da war er der King. Aber es würde ihm nicht im Traum einfallen, Rina zu erzählen, wie er sich fühlte. Er hatte für diesen Tag genug über seine Gefühle geredet.
8
Kann man den Tag besser beginnen als mit einer Schüssel Cornflakes und fünfundzwanzig Akten von registrierten Sexualverbrechern? Während Decker die Vorstrafenregister überflog, goß Rina ihm ein Glas Orangensaft ein. Dabei fiel ihr Blick auf das Foto eines mürrisch dreinblickenden Mannes.
»Zumindest sind es
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