Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
wir uns kurz fassen werden.«
Milligan sah ihm in die Augen. Ihre waren wunderschön, aber unergründlich. »In Ordnung. Kommen Sie.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt, als selbstverständlich annehmend, daß sie ihr folgen würden. Decker sah Marge an, die die Augen verdrehte. Sie marschierten hinter Milligans langen Beinen her. Ihre Absätze klapperten den Korridor entlang. Noch einmal zwei Stockwerke im Aufzug nach oben. Decker hatte sich nie für klaustrophobisch gehalten, aber jetzt stieg ihm der Schweiß auf die Stirn.
Vielleicht lag das an dieser Frau.
Milligan trat ins Büro ihres Chefsekretärs und segelte am Schreibtisch des jungen Mannes vorbei. Sie führte sie in einen weitläufigen Raum mit Panoramablick auf Downtown L. A.
Decker fühlte den Schweiß auf seiner Haut von einer Sekunde zur anderen kalt werden. Vielleicht lag das an dem Büro – alles in Chrom und Glas und ultramodern mit Kunstwerken an der Wand, die von Gegenständlichkeit gar nichts hielten. Aber teuer. Große Formate und große Namen, am bemerkenswertesten Jackson Pollocks Farbspritzer. Sonnenlicht strömte zu den Fenstern herein, aber statt den Raum warm zu beleuchten, ließ es ihn nur heiß und grell wirken. Ungefähr so gemütlich wie die Strahler über einem OP-Tisch.
»Nehmen Sie Platz«, forderte Kate Milligan auf.
Sie selber blieb allerdings hinter ihrem Tisch stehen – einem riesigen, auf Hochglanz polierten Granitblock. Hinter dem Tisch ragte ein Bücherschrank auf, der bis zur Decke reichte. In der oberen Hälfte standen juristische Bücher – Amerikanisches Recht, Südafrikanisches Recht, Englisches Recht und Internationales Recht. Die untere Hälfte war Wirtschaftsliteratur vorbehalten. John Maynard Keynes und Milton Friedman. In einer Reihe gab es ausschließlich Bücher über die Entwicklung der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Japan.
Sofort klingelte das Telefon. Milligan gab ihrem Sekretär Anweisung, keine Gespräche durchzustellen, und knallte den Hörer auf.
»Er sieht mich mit zwei Leuten in mein Büro gehen, da sollte man doch glauben, daß er Besseres zu tun hat, als mir einen Anruf durchzustellen.« Milligan schüttelte den Kopf. »Aber er ist loyal. Ist mit mir von VerHauten gekommen. Treue kann man wahrscheinlich kein Preisschild umhängen.« Sie blätterte abwesend in einem Aktenordner, der vor ihr auf dem Tisch lag. »Sie sagten, Sie würden sich kurz fassen. Ich bin jetzt schon nicht mehr im Zeitplan.«
Decker steckte seine Marke wieder ein. Er saß auf einer schwarzen Ledercouch, die selbst für seine Statur groß genug war. Marge thronte mit stocksteifem Rücken neben ihm. Sie waren beide ein wenig eingeschüchtert von diesem Reichtum, der Macht. Ein Kardinalfehler für einen Detective, aber manchmal konnte man nichts dagegen tun.
Decker sagte: »Danke, daß Sie sich die Zeit für uns nehmen, Ms. Milligan –«
»Die Freundlichkeiten können Sie überspringen.«
Ein paar Sekunden herrschte eine ungemütliche Stille. Aber die Grobheit kurbelte seine Professionalität wieder an.
Er erhob sich. »Okay, Ma’am. Dann sagen Sie mir einfach, warum ein Milliarden-Dollar-Konzern wie VerHauten sich von Arik Yaloms lächerlichem Anteil an afrikanischen Diamantenminen bedroht fühlt?«
Milligans Augen verwandelten sich in blauglühende Flammen.
Decker lächelte. »Reden Sie, wann immer Ihnen danach ist, Ms. Milligan.«
Langsam breitete sich ein Lächeln auf Milligans Lippen aus. Sie lehnte sich auf ihren Tisch, die eine Hand in die Hüfte gestützt. »Meinen Sie das ernst?«
»Ja«, sagte Decker.
Milligan richtete sich auf und kreuzte die Arme vor der Brust. »Auf Absurditäten antworte ich nicht.«
»Wir haben Unterlagen über Ihren Schriftwechsel mit Mr. Yalom«, fügte Marge an.
»Dann haben Sie Unterlagen über einen gestörten Mann, der VerHauten sein unzusammenhängendes Gestammel geschickt hat.«
»Warum haben Sie sich dann die Mühe gemacht, ihm zu antworten?« fragte Decker.
»VerHauten beantwortet sämtliche Briefe, ob verrückt oder nicht.«
»Das war nicht meine Frage, Ms. Milligan«, sagte Decker. »Ich fragte, warum Sie sich persönlich die Mühe gemacht haben zu antworten.«
»Die Briefe waren an meine Abteilung adressiert.«
»Und Sie beantworten alle Briefe, die an Ihre Abteilung gerichtet sind?«
Milligan biß sich auf die korallenrote, geschwollene Unterlippe, aber ihre Augen ließen Decker nicht einen Moment los. Decker hatte schon viele
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