Dein bis in den Tod
würden.
Ich hörte sie nicht zum ersten Mal.
Die Ermittler der Kriminalpolizei kamen als Erste, in Begleitung zweier Wachtmeister. Ein paar Minuten später kamen drei, vier Leute von der technischen Abteilung in ihren blaugrauen Arbeitsanzügen, die sie wie Kolonialwarenhändler aussehen ließen.
Ich atmete ein wenig auf, als ich sah, wer die Gruppe anführte. Oberkommissar Jakob E. Hamre war einer von den Besten, die sie hatten, einer von denen, die sie in wirklich schwierigen Situationen hervorholten, um die Fassade zu retten. Bei komplizierten Fällen, bei denen die Interessen anderer Nationen eine Rolle spielten oder andere Staatsetats, schickten sie Hamre vor. Er sprach drei Sprachen, wenn auch nicht fehlerfrei, so doch besser als die meisten, und für einen Bullen war er ungewöhnlich sympathisch und intelligent. Er hatte sicher auch seine Fehler, aber vorläufig hatte ich noch keinen entdeckt. Aber ich hatte auch nicht so viel mit ihm zu tun gehabt. Sie schickten meist die Feldartillerie raus bei Fällen, in die ich verwickelt war.
Ich hatte keine Ahnung, für was das E in seinem Namen stand, und wenn man ihn ansprach, klang es nur, als stutze man etwas vor dem Nachnamen. Jakob – eh – Hamre. Er war Ende dreißig, sah aber jünger aus, und er war einer dieser hübschen, jugendlichen Polizisten, die sie auf ihren Reklameplakaten verwendet hätten, wenn sie welche gedruckt hätten. Mach’s wie Jakob E. Hamre, werde Bulle. Vielleicht hätte das geholfen.
Er war dunkelblond und hatte sein Haar nach hinten gekämmt, aber es fiel auf der einen Seite wieder in die Stirn. Seine Kleidung war geschmackvoll: grauer Anzug, hellblaues Hemd und rotschwarzer Schlips. Über dem Anzug trug er einen Trenchcoat. Er war barhäuptig. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig, die Nase scharf und gebogen, das Kinn kräftig, der Mund ziemlich breit.
Mit ihm kam Jon Andersen, Polizeikommissar mit jedem seiner fünfundneunzig Kilo, schwitzend wie immer, mit schmutzigem Hemd, fettigem, schuppigem Haar und einem liebenswürdigen Lächeln, das um die hässlichen Zähne spielte. Wir waren alte Bekannte: Er war einer meiner wenigen etwas besseren Freunde in dem Laden.
Hamre führte das Wort. Er begrüßte mich und fragte: »Wo ist er, Veum?« Er klang geschäftlich, neutral, aber nicht unfreundlich.
Ich nickte zur Tür hinter mir. Er warf einen fragenden Blick auf Wenche Andresen. »Und das ist …«
Ich sagte: »Das ist seine Frau. Sie hat ihn gefunden.«
Er betrachtete sie forschend. Sie senkte den Blick.
Ich sagte: »Das war natürlich ein Schock für sie.«
Seine scharfen, hellblauen Augen wanderten zu mir. »Selbstverständlich. Wir werden das Ganze später durchsprechen. Zuerst möchten wir – ihn gern sehen. Ich glaube, wir gehen alle in die Wohnung und setzen uns in Ruhe hin.«
»Nur eines«, sagte ich. »Ihr Sohn … Roar. Er kann jederzeit kommen. Aber ich denke nicht, dass er – seinen Vater sehen sollte – so.« Ich nickte zur Tür. »Kann nicht einer der Wachtmeister vielleicht hier draußen warten? Ihn rechtzeitig aufhalten?«
»Doch. Natürlich.« Er gab Jon Andersen Bescheid, die Anordnung weiterzugeben.
Dann gingen wir in die Wohnung.
Wenche Andresen begann zu schluchzen, als sie Jonas Andresen wieder sah. Trockene, schmerzhafte Schluchzer von irgendwo tief drinnen. Hamre sagte: »Kann einer von euch nach einer Polizistin telefonieren? Und begleitet Frau Andresen ins Wohnzimmer, setzt Wasser auf. Sie hat sicher Tee oder so was im Haus.« Jon Andersen und der zweite Wachtmeister geleiteten Wenche Andresen weiter in die Wohnung, während Hamre und ich draußen im Flur stehen blieben. Ich hörte Andersen mit der Wache telefonieren.
Hamre ging in die Knie und tastete nach dem Puls.
»Zu spät«, sagte ich. »Der hat sich längst verabschiedet. Ich habe schon getastet.«
Er nickte mit zusammengekniffenen Lippen. Dann richtete er sich wieder auf. Das Messer auf der Kommode fiel ihm ins Auge. »Die Mordwaffe?«, fragte er.
Ich nickte. »Ja.«
»Lag es da, als du kamst?«
Ich zögerte. Zu lange. Jakob E. Hamre sah mich erwartungsvoll an. Er war viel zu schlau, als dass man mit ihm Versteck spielen konnte. Er würde jede kleinste Nuance durchschauen. Er war ein wandernder Lügendetektor, das spürte ich so sicher wie der Mann auf dem Boden neben uns tot war.
Ich sagte: »Nein.«
»Wo war es dann?«
»Sie – hielt es in der Hand.«
Er nickte. Als habe er genau das erwartet.
Ich sagte schnell:
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