Dein Kuss verraet mir alles
hat mich um keinen Rat gebeten, bevor sie ihr Geld darin angelegt hatte. Sie haben es wohl gewusst, dass sie vor sechs Jahren einen wohlhabenden Importeur aus Singapur geheiratet hat?”
“Nein”, antwortete Tess steif. “Wie ich schon bemerkte, standen wir in keiner Verbindung.”
“Schade”, erwiderte er. “Sie hatte das Trinken aufgegeben und führte ein recht bewundernswertes Leben während der letzten Jahre. Sie wurde Witwe ungefähr um die gleiche Zeit, als man Krebs bei ihr feststellte.” Er lächelte dünn. “Wie ich von ihr erfahren habe, hat sie es zutiefst bedauert, Sie, Miss Brady, so schlecht behandelt zu haben.”
Tess hielt die geschlossenen Hände zwischen ihren Knien, sagte aber nichts.
Er wies auf die Unterlagen. “Ich werde diese Aktien bis zum Wochenende überprüft haben. Bis dahin werde ich Ihnen auch den gegenwärtigen Wert des asiatischen Handelsmarktes nennen können. Dann können Sie sich entscheiden, ob sie die Aktien lieber behalten oder verkaufen wollen. Außerdem gibt es noch allerlei Kleinigkeiten wie Schmuck und Ähnliches, der mir noch zugesandt werden soll und den ich dann sofort an Sie weiterleiten werde.”
Der Gedanke, etwas von ihrer Mutter zu besitzen, löste in Tess ein unbehagliches Gefühl aus. “Gibt es keine anderen Verwandten?”
“Eine Stieftochter, die in Singapur lebt. Aber ihr Vater hat bereits mit seinem Testament für sie gesorgt.”
“Würde sie den Schmuck gern haben wollen?”
Er war überrascht. “Nun, sie mochte Ihre Mutter, soviel ich weiß. Sie waren Freundinnen. Ja, ich möchte meinen, dass sie den Schmuck gern haben würde. Aber er gehört Ihnen, Miss Brady. Sie sind die Blutsverwandte.”
“So habe ich nie gefühlt”, entge gnete Tess steif. “Ich möchte, dass die Stieftochter den Schmuck bekommt und auch die anderen persönlichen Dinge.” Sie blickte zu Boden. “Es ist nicht leicht, es in Worte zu fassen, aber ich möchte wirklich nichts von ihr haben. Nicht einmal die Aktien.”
“Aah, aber Sie haben darin keine Wahl. Das sind die gesetzlichen Bestimmungen. Wie ich erfahren habe, arbeiten Sie seit dem frühen Tod Ihres Vaters hier als Haushälterin. Möchten Sie nicht finanziell unabhängig sein?”
Tess überlegte kurz. Wenn sie ein wenig Geld als Rückhalt hatte, brauchte Callaghan sie nicht aus Mitleid hier auf der Ranch zu behalten. Obwohl der Gedanke, ihn zu verlassen, ihr das Herz brach.
“Ja, das möchte ich schon”, antwortete sie langsam. “Sie haben Recht. Ich nehme die Aktien an. Danke.
Er zeigte ihr, wo sie ihre Unterschriften setzen sollte, schloss die Unterlagen und steckte sie in seine Aktentasche. Bevor er sich verabschiedete, versprach er Tess, sie sofort anzurufen, sobald er Nachricht bezüglich der Aktien bekam.
„Welchen Wert könnten die Aktien ungefähr haben?”, fragte Tess zögernd.
Der Anwalt lächelte nachdenklich. “Etwa eine Million Dollar, schätze ich.”
Tess wurde blass. “Oh!”
Mit einem Kopfnicken verschwand er durch die Tür und hinterließ eine Tess, die nicht mehr klar denken konnte. Alles in ihrem Leben hatte sich innerhalb von wenigen Minuten gewandelt. Das Leben ohne Callaghan würde allerdings traurig sein. Und das war eine bittere Pille, die sie schlucken musste.
Tess hatte sich fast an den Gedanken gewöhnt, in wenigen Tagen die Ranch zu verlassen, als Cag am Freitagnachmittag von seiner Reise wieder zurückkam. Er wirkte müde und erschöpft, bis er Tess sah. Seine schwarzen Augen leuchteten sofort auf.
Sie hingegen mied seinen Blick. “Du wirst hungrig sein. Ich mache dir ein Omelett”, sagte sie aufgesetzt geschäftig und verließ eilig die Küche, um aus dem Hühnerstall frische Eier zu holen.
“Da bist du ja!”, rief Leo, der im selben Augenblick die Küche betrat. Er schlug dem Bruder freundschaftlich auf die Schulter. “Wie ist es gelaufen?”
“Großartig. Was ist mit Tess?”
“Wie meinst du das?”
Cags Augen verdunkelten sich. “Sie wollte mich nicht anschauen.”
“Oh. Ja, sie ist ein wenig durcheinander, seit der Anwalt hier gewesen ist”, erwiderte Leo und wählte mit Bedacht seine Worte. “Plötzlicher Reichtum tut das den Menschen eben an.”
“Reichtum?”
“Ihre Mutter ist gestorben und hat ihr ein Vermögen in Aktien hinterlassen … im Wert von einer Million Dollar”, berichtete er seinem älteren Bruder und beobachtete voller Mitleid die Wirkung, die diese Nachricht auf Cag hatte. “Tess will uns verlassen, sobald wir
Weitere Kostenlose Bücher