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Deine Schritte im Sand

Deine Schritte im Sand

Titel: Deine Schritte im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Dauphine Julliand
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ließen wir zu Hause. Ohne schlechtes Gewissen und ohne Unruhe, denn sie befanden sich in der liebevollen Obhut ihrer Großeltern, die sich über dieses traute Tête-à-tête freuten.
    Der Tag war wundervoll. Die Feier fand nicht weit von zu Hause statt – wir hätten beim kleinsten Alarmzeichen schnell zurück sein können. Natürlich haben wir zwei oder drei Mal, vielleicht auch öfter, angerufen und nachgefragt. Die Antwort aber war immer die gleiche: »Alles in bester Ordnung. Genießt das Fest.«
    Gelegenheiten wie diese sind selten und daher umso wertvoller für uns geworden. Und so feierten wir alle drei bis tief in die Nacht. Wir übernachteten in einem Hotel und setzten das Fest am nächsten Morgen so lange fort, bis Gaspard alle Konfitüren des königlichen Frühstücks gekostet hatte. Kurz vor Mittag kehrten wir glücklich und zufrieden nach Hause zurück. Wir freuten uns auf unsere kleinen Mädchen.
    Wir begrüßten uns, als hätten wir uns endlos lange nicht gesehen. Wir herzten und küssten Thaïs und Azylis wie nach jahrelanger Abwesenheit. Ja, manchmal können vierundzwanzig Stunden eine kleine Ewigkeit sein. Azylis empfing uns mit Freudengeschrei. Die Begeisterung von Thaïs war weniger geräuschvoll als die ihrer Schwester, aber ebenso spürbar. Es ist schön, dass wir uns diese Auszeit gönnen konnten; während unserer Abwesenheit ist alles gut gegangen. Und es ist gut, dass wir zurückgekommen sind, ohne uns noch länger aufzuhalten. Denn kurz nach unserer Rückkehr ist das Gewitter ohne Vorankündigung über uns hereingebrochen.
    Nichts geht mehr. Thaïs’ Herz wird mit jedem Schlag langsamer. Die Atmung setzt für lange Sekunden aus. Wie gebannt lauschen wir dem Stocken ihres Atems. Jeder Atemzug kann der letzte sein. Die Krankenschwester sagt nichts mehr. Sie schüttelt den Kopf zum Zeichen, dass sie machtlos ist, und verlässt auf Zehenspitzen das Zimmer, um uns bei unserem Abschied nicht zu stören.
    Je blasser das Gesicht meines geliebten Töchterchens wird, desto aggressiver werde ich. Sogar mein Glaube verlässt mich. Zwar bin ich seit Langem auf diesen schicksalhaften Augenblick vorbereitet, aber ich bin trotzdem nicht bereit. Wie könnte ich das je sein? Meine Seele sträubt sich, bockt und rebelliert.
    Nein, nicht das! Alles, aber nicht das!
    Bleib noch ein wenig, meine Prinzessin, meine wunderschöne Thaïs! Ich kann dich nicht gehen lassen. Mir fehlt der Mut, dich zu begleiten. Ich habe nicht die Kraft, ohne dich zu leben. Ich klammere mich an deine Arme, an deinen Hals, an deinen ganzen Körper, um dich zurückzuhalten. Nur noch ein bisschen. Ein kleines bisschen.
    Verlass mich nicht. Nicht jetzt. Nicht so früh. Ich will dich bei mir behalten. Für immer. Dich pflegen, bei dir wachen, dich umsorgen, dich lieben. Du bedeutest mir so viel: dein beredtes Schweigen, dein kindlicher Duft, deine weiche Haut, deine honigfarbenen Locken, deine halb geöffneten Hände, all die kleinen Dinge, die Laute, die Geräusche, die Bewegungen, die dich ausmachen. Und die ich so liebe.
    Ich flehe dich an, meine kleine Tochter. Widerstehe! Kämpfe! Ohne dich bin ich nichts. Du bist meine Sonne, mein Horizont, meine Zärtlichkeit, meine Kraft und meine Schwäche. Du bist mein Fels und mein Abgrund. Meine große Liebe.
    Bleib noch. Wenigstens heute. Und morgen. Und übermorgen.
    HAT SIE MICH GEHÖRT? Hat sie das verzweifelte Flehen meines zerrissenen Herzens gespürt? Ich werde es nie erfahren. Und doch ist es so, dass Thaïs’ Seele von ihrem Weg zwischen Erde und Himmel noch einmal zurückgekehrt ist in den kleinen, verbrauchten Körper, von dem sie sich bereits gelöst hatte.
    Wider jedes Erwarten erholt sich Thaïs. Ganz langsam, einen Herzschlag nach dem anderen, einen Atemzug nach dem anderen, kehrt sie ins Leben zurück. Mit zögernden Schritten erklimmt sie den Weg in umgekehrter Richtung. Wie eine Seiltänzerin. Ich halte sie fest in meinen Armen und flehe weiter. Ich kann nicht aufhören. Je sichtbarer die Hoffnung das Grau aus ihren Wangen vertreibt, desto inniger bete ich.
    Es dauert mehrere bittere Stunden, ehe wir sicher sein können, dass Thaïs außer Gefahr ist. Die Krankenschwester und der von ihr herbeigerufene Arzt stoßen gemeinsam mit uns einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie wissen, wie ernst es um unsere Kleine stand. Doch die Geheimnisse des Lebens und des Todes lassen sich oft nicht mit der menschlichen Wissenschaft erklären. Niemand – weder der kompetenteste Arzt noch

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