Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
wert.
Als er schon gehen wollte, fiel ihm die Mappe mit den Fotos ein. Gestern hatte ihn etwas daran irritiert. Keines der Bilder erweckte den Eindruck, inszeniert zu sein. Friebe hatte mit sicherem Gespür den richtigen Moment erkannt, ohne etwas zu verändern. Es war nicht sein Werk, sondern das Werk des Augenblicks. Kurzerhand nahm er die Mappe mit.
Als er vor das Haus in der Lindwurmstraße trat, war die Sonne im Begriff, den Hochnebel zu besiegen. Es würde ein schöner Tag werden. Die dünnen Eisplatten auf den Pfützen schmolzen bereits.
In Marcellos Bar am Rindermarkt trank er rasch einen Espresso im Stehen und machte sich dann endgültig auf ins Büro. Als er den bronzenen Keiler vor dem Jagdmuseum passierte, rief Kirsten an. »Guten Morgen, Tino. Wo bist du?«
»Bin gleich da. Gib mir zwei Minuten.«
Er hatte gerade seinen PC hochgefahren, als sie eintrat. »Ich habe mal die finanzielle Lage von allen Angehörigen der Mordopfer etwas genauer gecheckt.«
»Und was hast du herausgefunden?«
Sie lehnte sich ans Fensterbrett. »Nicht nur Hannes Lenz und seine Ex haben finanzielle Sorgen. Auch Achim Kubisch geht es nicht so glänzend, wie man glauben könnte. Vor drei Jahren hat er seinen Job bei der Bank verloren und sich selbständig gemacht. Seither hat er Schulden aufgebaut, denn der Gewinn seiner Firma reicht nicht, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Im Mai wurde es dann eng. Doch sein Vater hat ihm aus der Patsche geholfen. Hunderttausend Euro. Ein Geschenk.«
Dühnfort war überrascht. »Das Geld von Kubischs Sparbüchern ist also nicht in England, sondern beim Sohn?«
»So sieht es aus.«
»Und er lässt seine Schwester im Glauben, dass er das Geld aus England zurückholen wird.«
»Klingt, als wäre da demnächst ein Familienstreit fällig.«
»Der Mann hatte Alzheimer, und er stand unter Betreuung.«
»Aber nicht im Mai.« Kirsten zuckte die Schultern. »Da war er noch geschäftsfähig. Jedenfalls hat das Geld nicht gereicht. Achim hat noch immer vierzigtausend Miese bei der Bank. Er braucht Geld, und nun hat er einen Goldschatz geerbt.«
»Ist sein Alibi überprüft worden?«
»Alois hat das gemacht. Achim Kubisch war bei einem Kunden. Clemens Jenne, Zahnarzt mit einer Praxis in Starnberg. Außerdem kann auch Michael Brettschneider sein Erbe gut brauchen. Er hat sich mit Optionen verzockt. Das Geld dafür hatte er sich geliehen, und nun sitzt er auf sechzigtausend Euro Schulden.«
»Wir können aber einen Trittbrettfahrer ausschließen. An jedem Tatort dieselbe DNA . Alle vier Morde wurden vom selben Täter begangen. Hoffentlich hat Buchholz bald ein Ergebnis.« Er griff zum Telefon und rief ihn an. »Hallo Frank, hast du die Analyse der DNA -Probe aus Friebes Wohnung schon fertig?«
»Wird noch dauern. Der Laser am KEP ist kaputt. Kleine Ursache, große Wirkung. Derzeit geht gar nichts. Der Servicetechniker ist unterwegs. Gedulde dich bis zum Nachmittag.«
»Muss ich wohl.« Auch wenn ihm das nicht gefiel. Er legte auf. »Es wird Nachmittag werden.«
»Na prima.«
Sein Telefon klingelte. »Dühnfort.«
»Moin, moin. Hansen hier, Polizeistation Juist. Wohin sollen wir ihn liefern?«
»Ihr habt Friebe?«
»Er saß beim Frühstück, als wir kamen, und wollte abhauen. Doch wohin flieht man auf einer Insel? Wir haben ihn gleich gehabt. Ach ja, und ich soll Ihnen sagen, er war es nicht.« Ein dröhnendes Lachen klang durchs Telefon.
68
Gegen vier Uhr morgens kam Sergej nach Hause. Er war nicht allein. Boris parkte den schwarzen Hummer vorm Haus und sah sich um, ob nicht einer der Ukrainer seinem Boss auflauerte. Mit den Ukrainern hatte er von Anfang an Ärger gehabt.
Die beiden verschwanden im Haus. Schicke Wohnung. Frankfurter Westend. Dachterrasse. Eigentlich hätte Anjela ihn gerne in der Tiefgarage fertiggemacht, doch die wurde derzeit saniert, weshalb alle Stellplatzinhaber ihre Wagen auf der Straße parken mussten. Ihr war selbst nicht klar, woher sie die Überzeugung nahm, dass sie es schaffen würde, dieses Schwein abzustechen und heil aus der Nummer herauszukommen. Sie wusste es einfach. Sie musste Sergej nur allein erwischen. Das war alles, worauf sie achten musste.
Vor Mittag würde er nicht wieder auftauchen. Wenn er seine Gewohnheiten nicht geändert hatte, ging er zwischen zwölf und eins zu Fuß ins Café Kurios, um dort zu frühstücken. Es waren nur dreihundert Meter. Ihre Chance, ihn zu kriegen. Er würde den Fehler machen, sie zu
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