Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Dann setzt er das Ganze in Szene, um uns auf eine falsche Fährte zu locken.«
»Bei Emily fehlt nur Geld. Der Schmuck ist da, und das Geld hat Anjela gestohlen. Das nehmen wir jedenfalls an.« Etwas stimmte nicht.
Heinen schlug ein Bein über das andere. »Ich sehe da eine Diskrepanz. Dem Samariter scheint ja daran gelegen zu sein, öffentliche Aufmerksamkeit für Pflegemissstände zu bekommen. Er hat eine Mission. Er steht auf der Seite der Alten und Kranken, die Opfer eines inhumanen Systems sind. Diese Menschen würde er nicht bestehlen. Das Opfer noch einmal zum Opfer zu machen, das passt nicht.«
»Ach, und wenn er sie erstickt, dann sind sie keine Opfer?« Kirsten schüttelte den Kopf.
»Nicht, wenn er daraus eine Erlösungstat macht«, entgegnete Heinen. »Das hat KHK Dühnfort eingangs ja bereits sehr schön herausgearbeitet. Er verbrämt das als gute Tat. Was mich stört, sind die Diebstähle. Warum sollte er die Menschen, die er erlöst hat, bestehlen? Und offenbar hat er Emily auch nicht bestohlen.«
»Wir wissen es nicht mit Sicherheit.« Dühnfort nahm dem Täter Erlösung als Motiv einfach nicht ab. Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr hatte er das Gefühl, auf Sand zu gehen. »Wie findet er seine Opfer? Es muss im Leben von Emily und Heinrich Überschneidungen geben. Danach suchen wir jetzt. Familie. Freunde. Ärzte. Seniorentreffs. Lokale. Hoffentlich findet Meo eine Spur, die vom Blog zum Samariter führt.«
Heinen wandte sich an Kirsten und bat sie um den Link für den Blog. Dühnfort beendete das Meeting. Es war schon spät. Er räumte den Schreibtisch auf, beantwortete zwei Mails und fuhr den Rechner herunter. Während er durch die Fußgängerzone ging, in die Sendlinger Straße einbog, beim Türken in der Thalkirchner Straße noch rasch fürs Abendessen Börek, gefüllte Pide und Cacik einkaufte, verstärkte sich das Gefühl, sich auf schwankendem Grund zu bewegen.
40
Etwas drang in ihr Bewusstsein, tiefer und tiefer, und weckte sie. Ein sich regelmäßig wiederholender hoher, leiser Ton. Biep. Biep. Biep. Die Lider waren schwer wie Blei. Sie stemmte sie auf. Mit tausend Messern stechend fuhr grelles Licht in ihre Augen. Stöhnend schloss sie sie wieder. Dunkelheit umfing sie. Biep. Biep. Biep.
Als sie das nächste Mal zu sich kam, nahm sie einen seltsamen Geruch wahr. Chemisch. Sauber. Dann wieder das Fiepen. Biep. Biep. Biep. Wo war sie? Blinzelnd öffnete sie die Augen. Ein Zimmer. Beinahe dunkel. Ein schwacher Schein zu ihrer Linken. Ihr Kopf war viel zu groß und schwer und fühlte sich an wie mit Sand gefüllt. Es gelang ihr kaum, ihn zu drehen. Millimeter um Millimeter zwang sie ihn weiter, bis sie sah, woher der Schimmer und das Fiepen kamen. Farbige Lichter blinkten an Geräten und Monitoren, Kurven bauten sich auf und ab. Biep. Biep. Biep.
Adrenalin schoss durch ihren Körper, brachte den Puls zum Jagen. Das Biepen wandelte sich zu einem rasenden Stakkato. Sie setzte sich auf. Ihr wurde speiübel. Ein Krankenhaus! Wieso? Was war passiert? Sie musste hier weg! Doch Schläuche und Kanülen hingen an ihr, umklammerten sie, fesselten sie. Panik stieg in ihr auf. Kalter Schweiß strömte ihr aus allen Poren. Ihr Herz trommelte in rasenden Schlägen. Ein uralter Instinkt erwachte. Gefahr! Raus! Sie musste weg! Der Fluchtimpuls entfaltete die archaische Kraft eines wilden Tiers. Sie schwang die Beine aus dem Bett, riss dabei die Nadel aus dem Handrücken und die Kanülen ab. Blut tropfte aufs Laken, auf die nackten Füße, die den Boden berührten, der unter ihr schwankend nachgab, sie in ein schwarzes Loch riss, in tiefe Dunkelheit.
Stimmen summten. Hände tasteten nach ihr. Stöhnend warf sie sich auf die Seite. Glühender, flüssiger Stahl schwappte durch ihren Schädel. »Alles ist gut.« Eine Männerstimme.
»Sie machen mir Spaß. Wir sollten sie fixieren. Damit sie das nicht noch einmal versucht.« Eine Frau.
»Können Sie mich hören?« Die Männerstimme war ein dunkler murmelnder Bach. »Sind Sie wach?«
»Hm.« Der flüssige Stahl hinterließ einen dröhnenden, tobenden Schmerz in ihrem Kopf. Etwas stimmte nicht mit ihm. Sie wollte nach ihm tasten, doch ihr Arm wurde eingefangen. »Halten Sie still. Wir müssen die Infusion neu legen.« Die Frau.
Es gelang ihr, die Augen zu öffnen. Das Zimmer war jetzt neonhell erleuchtet. Am Bettrand saß ein Arzt. Jedenfalls sah er so aus, denn er trug einen weißen Kittel. Auf der anderen Seite stand eine Schwester und
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