Den Tod im Blick- Numbers 1
rein und check die Lage. Wartet hier.« Und schon verschwand sie um die Ecke. Wir drei hatten uns nicht viel zu sagen. Sie waren ziemlich misstrauisch, was mich betraf, und ich war zu müde, als dass es mich störte.
»Alles in Ordnung. Dad ist noch unterwegs und Ma klebt vor dem Fernseher. Wir gehen durch die Hintertür.«
Die andern beiden sahen sich an.
»Britney, du spinnst. Wir gehen nach Hause.«
»Ihr lasst mich hängen?« Sie nickten. »Okay, wie ihr wollt, aber hört zu. Kein Wort zu niemandem. Und das meine ich ernst – zu niemandem.«
»Natürlich.«
»Dann bis morgen.«
»Ja, bis morgen.« Sie marschierten davon, die Straße runter.
»Kannst du denen trauen?«, fragte ich.
»Klar, die sind in Ordnung. Außerdem wissen sie, ich bring sie um, wenn sie nicht die Klappe halten. Das würden sie nie wagen. Los, komm.«
Wir gingen seitlich am Haus vorbei, durch eine Hintertür rein, dann durch die Küche und schließlich nach oben. An einer Tür hing ein kleines Schild mit Rosenrand und der Aufschrift Britneys Zimmer . Darunter fanden sich aktuellere Ergänzungen: ein Totenkopf und ein großes Schild, auf dem stand: Kein Zutritt. Innen waren die Wände dunkellila gestrichen und überall mit Postern und Fotos aus Zeitschriften vollgehängt – Kurt Cobain, Foo Fighters, Gallows. Auf dem Bett lagen jede Menge Kissen und eine Art Decke, die schwarz und flauschig war. Alles wirkte echt, ziemlich cool. Ich musste an mein letztes Zimmer denken, das bei Karen, und an die paar Habseligkeiten, die ich zertrümmert hatte.
»Setz dich aufs Bett oder auf den Sitzsack, wo du willst.«
Ich ließ mich verlegen auf der Bettkante nieder. Britney setzte sich neben mich.
»Also«, sagte sie. »Ich bin Britney und du heißt … Jemma?«
»Jem«, sagte ich.
»Klar.« Jetzt, nachdem sie mich in ihr Zimmer gebracht hatte, wirkte sie längst nicht mehr so knallhart. Sie war sogar ziemlich nervös, was mich auf den Gedanken brachte, dass die Maske, die sie im Park gezeigt hatte, nichts anderes war als Fassade. Darunter hatte sie genauso viel Schiss wie die andern. Nach einer Ewigkeit, die wir schweigend nebeneinandersaßen, stellte sie Musik an, danach beschloss sie, was zu essen zu machen, und ließ mich allein.
Ich saß da und schaute mich um. Das Zimmer war cool. Abgesehen von den Postern gab es auch einen richtigen Schminktisch, auf dem Make-up, ein Schmuckständer und jede Menge gerahmte Fotos standen: Bilder von ihrer Familie und ihren Liebsten. Ein paar zeigten sie zusammen mit einem Jungen, jünger als sie – auf einem hatte er dichtes gelocktes Haar, auf dem andern war er kahl, hatte aber noch immer das gleiche Grinsen im Gesicht. Also gab es anscheinend einen Bruder.
Die Heizung wirkte geradezu tropisch nach den paar Tagen draußen. Ich fing an zu schwitzen und mir war klar, dass ich auch ziemlich unangenehm roch. Ich zog den grünen Mantel aus, doch danach fühlte ich mich immer noch nicht wohl. Ich zog auch das Kapuzenshirt aus und ließ es auf den Mantel am Boden fallen. So wie das Zeug als trister Haufen auf dem Teppich lag, sah es echt eklig aus. Es wirkte versifft, und als ich an mir runterschaute, sahen meine Jeans und die Schuhe kaum anders aus. Obwohl Britneys Zimmer nicht wirklich aufgeräumt war, fühlte ich mich ziemlich fehl am Platz, wie ein Scheißhaufen auf einem Teppich.
Britney kam mit dicker Pizza auf einem Teller, einer Colaflasche und zwei Gläsern wieder ins Zimmer. Der Essensduft rief in mir Hunger, zugleich aber auch Übelkeit hervor. Sie hielt mir den Teller hin. »Nur Käse und Tomate, ist das okay?«
»Ja, danke.« Ich nahm ein Stück, unsicher, ob ich tatsächlich was essen konnte oder nicht. Sie haute rein, sah mich an und versuchte gleichzeitig wegzuschauen. Ich knabberte ein bisschen vom Rand, kaute langsam und schluckte es runter. Es schmeckte gut, sank in den Magen und blieb dort, deshalb wagte ich mich an den Rest des Stücks und nahm mir danach noch ein zweites. Wir saßen da, aßen und tranken. Es war grotesk. Es war, wie du dir zwei Mädchen vorstellen würdest – zusammen bei der einen, Pizza essend und Cola trinkend. Bloß dass wir nicht lachten und über Jungs und Schminke redeten. Wir saßen nur da, waren uns beide des Schweigens bewusst, und überlegten, worüber wir quatschen sollten.
Im Hinterkopf hatte ich immer noch Angst, dass alles eine Falle sein könnte. Also fragte ich sie ganz direkt.
»Warum tust du das? Ich meine, wieso bist du so nett zu
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