Denken Mit Dem Bauch
Voraussetzung zum
Erreichen dieser Stufen ist eine ausgeprägte soziale Intelligenz.
• Kommt ein Mensch in die Situation, ungestraft unmoralisch
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zu handeln, dann freut sich der Bauch diebisch - er handelt in einer solchen Situation auch tatsächlich völlig unbekümmert unmoralisch.
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Die Behaglichkeit der falschen Entscheidungen
»Wahrnehmungsprozesse« nennt man die Prozesse in
unserem Kopf, die dafür sorgen, dass wir uns ein Bild von den Dingen um uns herum machen können. In der Regel gelingt das ganz brauchbar - jedenfalls bei den Dingen um uns herum. Von der blauen Blume über das rote Auto bis zur buntgelben Herbstlandschaft - fast alles können wir richtig zuordnen, und meist auch richtig interpretieren. Und was das Wichtigste wäre: richtig erinnern. Tatsache ist, wir nehmen die Welt um uns herum, wenn sie gegenständlich ist, schon ganz gut und meist ziemlich korrekt wahr. Mit den »hardfacts« haben wir bei der Wahrnehmung und beim Erinnern kaum Sorgen.
Etwas schwieriger wird die Sache bei den nicht-
gegenständlichen Wahrnehmungen, bei den »softfacts«. Wenn es zum Beispiel um Gefühle geht. Oder um andere Menschen und deren Gefühle, um deren Entscheidungen oder um
bestimmte Situationen. Dann kommen wir nämlich nicht mehr so ohne weiteres klar. Und das hat mehrere Gründe.
Da ist zum Beispiel das merkwürdige Ankerplatzsystem in unserem Kopf. Alles (… na gut, vieles…), was uns Menschen ausmacht, was uns von den Tieren unterscheidet, resultiert auch aus der Fähigkeit heraus, sich zu erinnern. Könnten wir uns nicht erinnern, wären wir einfach nur zeitlose Wesen, die in den Tag hineinlebten, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft. Nicht einmal eine zeitliche Gegenwart könnten solche Wesen erleben.
Denn jene existiert nicht, wenn wir nicht die Bedeutung von Zukunft und Vergangenheit kennen. Wir wären zeitlos.
Wenn etwas noch nicht vergangen ist - aber auch noch nicht vollendet ist, dann haben wir es also mit der Gegenwart zu tun.
Und die, so sagen die Forscher, dauert immer nur zwei bis maximal drei Sekunden. Nach drei Sekunden ist demnach alles
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bereits Vergangenheit. Deshalb wandern vollautomatisch (das heißt, ohne dass wir etwas dagegen oder dafür tun könnten) alle je erdachten und vergangenen Gedanken nach knapp drei
Sekunden ins Ablagesystem des Gehirns. Viele der Gedanken werden wegen akuter Unwichtigkeit aber gleich wieder
rausgeworfen. Sie kommen über das Ultrakurzzeitgedächtnis nicht hinaus, gelangen also gar nicht erst bis zum
Langzeitgedächtnis.
Ein großer Teil der Gedanken allerdings wird abgelagert. Den Ort im Gehirn, in dem der Gedanke (die spätere Erinnerung) abgelagert wird, nennt man Ankerplatz. Jeder Gedanke, jede Erinnerung, die es wert sind, aufgehoben zu werden, bekommt einen solchen Ankerplatz zugewiesen.
Ankerplatz und Aktenzeichen oder: Warum manches
unauffindbar bleibt
Schon im Alter von ein paar Tagen (andere Forscher meinen, bereits vor der körperlichen Geburt) beginnen wir Menschen zu denken und unser Ablagesystem im Kopf zu organisieren, das heißt, wir sortieren aus und legen ab. Doch merkwürdig bei diesem Ankerplatzsystem ist, dass das Gehirn ein völlig unlogisches, unmathematisches System benutzt, um die
Erinnerungen zu katalogisieren. Nun kennen wir beispielsweise im Bibliothekswesen oder im Archivwesen alle möglichen Ablagesysteme: vom nummerischen System über die
Themenablage und Hunderte anderer Systeme bis hin zur guten alten Alphabetablage. Für keines dieser mehr oder weniger logischfolgerichtigen oder gar mathematischpräzisen Systeme interessiert sich das Gehirn, Es hat ein ganz anderes System entwickelt und im Laufe von ein paar hunderttausend Jahren so weit kultiviert, dass es zwar das ungenaueste, aber auch das überlebensfähigste Ablagesystem der Welt ist!
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Würde eine Staatsanwaltschaft oder ein Landgericht mit einem solchen Ablagesystem arbeiten - die Presse würde sich schütteln vor Lachen. Dann würden nämlich nur die
dramatischsten Straftaten und die allerdicksten Fische in der Ablage auffindbar sein und überhaupt ein Aktenzeichen
erhalten. Alle Kleinigkeiten wären sofort gelöscht, und niemand würde je die Akte eines Falschparkers oder eines
Kleinkriminellen finden, weil sie nicht gekennzeichnet ist. Und der größte Teil aller Straftaten würde in der Poststelle bereits wegen akuter Unwichtigkeit in den Reißwolf fliegen.
Das Gehirn archiviert also ganz anders als eine
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