Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
sie den Ehemann Uwe Walther an. Am Telefon klang der Rufton in eine Leere hinein, die sie zu spüren meinte. Niemand meldete sich. Sie versuchte es mit der Handynummer. Aber da war nur die anonyme Computerstimme. Not available . Langsam fühlte sie Wut in sich aufsteigen. Wieso war der Kerl nicht erreichbar, wenn sie ihn doch extra darum gebeten hatte. Überhaupt gebeten, sie hatte es angeordnet. Aufgebracht fuhr sie mit Mike noch einmal in die Straße der Walthers zurück. Wenn Uwe Walther nichts wusste, vielleicht hatten die Nachbarn etwas gesehen. Sie klingelte im Erdgeschoss.
Eine Frau Krämer öffnete. Schlaffe Wangen, kleine Augen, die j edoch flink und lebendig wirkten. Lene stellte sich vor und bat hereinkommen zu dürfen, um einige Fragen zu stellen. Bereitwillig öffnete Frau Krämer die Tür ganz und führte sie ins Wohnzimmer. Dabei kamen sie an der Küche vorbei. Ein Küchentisch mit aufgeschlagener Zeitung, Kaffeetasse und Aschenbecher. Es wurde hier wohl mehr in der Küche gelebt, wie in vielen schlichten fränkischen Haushalten der alten Tradition. Das Wohnzimmer wirkte entsprechend steril und unbelebt. Mit velourbezogenen Stilmöbeln .
»Frau Krämer, wir suchen Frau Walther und ihre Kinder, weil wir ihr e twas mitteilen müssen. Herr Walther sagt, sie seien seit gestern aus dem Haus und hätten sich bisher nicht gemeldet. Haben Sie vielleicht mit ihr gesprochen oder etwas beobachtet? Oft sind uns die Nachbarn eine große Hilfe in so einem Fall«, setzte sie hinzu um Frau Krämer davon abzuhalten, sich als neugierige Klatschbase zu fühlen. »Es ist wirklich wichtig, dass wir sie finden«, betonte sie eindringlich.
Frau Krämer reagierte wie erwartet.
»Eigentlich rede ich nicht über meine Nachbarn. Aber, wenn es so wichtig ist … Ich hab gestern zufällig am Küchenfenster gestanden, als sie mit den Kindern aus dem Haus kam. So gegen halb fünf nachmittags muss das gewesen sein, weil ich gerade zum Fernsehen ins Wohnzimmer wollte. Um dreiviertel fünf kommt da immer …«
Lene unterbrach sie, bevor sie das Fernsehprogramm vom Sonntagnac hmittag abspulen würde.
»Und? Wie wirkte Frau Walther? Hatte sie eine größere Tasche d abei?«
Kurzes Zögern.
»Ja, also, es war ja schon ziemlich dunkel. Aber jetzt, wo Sie fragen, doch, alle drei hatten eine Tasche dabei. Ich dachte, sie wollten zum Sport, vielleicht. Obwohl, das ist wohl eher Herr Walther – ja, ich weiß auch nicht, wo die hin wollten. Obwohl – ich könnt‘ verstehen, wenn sie endlich von ihm die Nase voll hätte!«
Jetzt wurde es interessant. Bitte, bitte sprich weiter, flehte Lene i nnerlich.
»Wieso meinen Sie? Sind die Walthers kein glückliches Paar?«
Sie fand ihre Formulierung selbst extrem dämlich und hoffte nur, dass Frau Krämer trotzdem auf das Signalwort glücklich reagieren würde.
Und wirklich …
»Glücklich? Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Es ist oft ein Riesengeschrei von ihm oben zu hören und manchmal …« Sie brach ab.
»Ja, manchmal?« Lenes Stimme flehte um das Satzende und Frau Krämer kam der Aufforderung nach.
»Also, manchmal denk ich, er schlägt seine Frau. Oder die Kinder. Obwohl – ich hab mehr den Eindruck, seine Frau. Und es gab schon Augenblicke, wo etwas gefallen ist – oder jemand – in so einer Auseinandersetzung. Einmal wollte ich schon die Polizei rufen, aber dann – ich hatte einfach nicht den Mut. Man weiß ja nicht, wie danach die Nachbarschaft aussieht. Mein Mann sagt auch immer … «
Lene unterbrach sie noch einmal. »Wann war das?«
»Ich glaube, es ist so drei Wochen her. Auch an einem Sonntag, das weiß ich noch. Weil mein Mann am Sonntag immer bei seiner Mutter ist. Wissen Sie, die alte Frau ist bettlägerig und … «
»Und gestern? Haben Sie da vielleicht auch etwas g ehört?«
»Wartens, gestern. Ja, da haben’s recht. So um kurz nach zwei, mein Mann war gerade weg, da fing das Geschrei an.«
»Konnten Sie irgendwie hören, worum es ging?«
Jetzt begegnete ihr Frau Krämers empörter Blick.
»Ich belausch‘ doch nicht meine Nachbarn!«
Lene hatte da so ihre Zweifel.
»Nein, natürlich nicht. Aber manchmal sind die anderen so laut, dass man nicht umhin kann, etwas zu hören. Obwohl man nicht lauscht. Das wäre so wichtig für uns.«
Sie hatte sich bei dem letzten Teil ihres Satzes zu Frau Krämer hinübergelehnt, um mit ihrem Körper die Vertraulichkeit zu unte rstreichen. Dann sah sie antwortheischend zu Mike, der, obwohl er kein Wort
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