Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
heraus. Ihre Mimik drückte Entsetzen aus. Soweit hatte sie offenbar nicht gedacht.
»Zu töten. Ja. Solange wir nicht sicher sind, dass es ein Unfall war, müssen wir alle Möglichkeiten überprüfen. Ich werde mit Ihrem Ko llegen sprechen, dass er Sie so gegen ein Uhr hier ablöst. Ich werde dann oben bei den Schülern sein, bis Sie zurück sind. Dann können Sie noch etwas schlafen. Was denken Sie, wäre das möglich?«
Die Lehrerin schaute sie mit immer noch erschrockenen Augen an. Sie wirkte plötzlich nur noch müde und um Ja hre älter. Holler sah sie ebenfalls besorgt an, dann zu Lene.
»Ich glaube, das ist nicht nötig. Die Intensivstation ist ja extra ve rschlossen, und es sind immer Krankenschwestern oder Pfleger hier drin. Da kann nicht einfach jemand hereinspazieren. Und« - er lächelte beruhigend – »wir sind hier nur wenige Ärzte, in der Nacht nur einer. Zudem kennen sich das Pflegepersonal und die Ärzte sehr gut und persönlich. Da kann sich keiner hereinschleichen – wie man es in Fernsehkrimis manchmal sieht.« Ertappt. Lene musste nun auch lächeln. Natürlich, Zell am See war mit der Anonymität eines der großen Nürnberger Krankenhäuser wirklich nicht zu vergleichen.
»Gut. Dann nehme ich Frau Gellner wieder mit. Und wir müssen unb edingt die anderen Schülerinnen und Schüler befragen. Da kann sie mir besser helfen. Danke. Fürs Aufpassen meine ich. Ich glaube jetzt auch, dass es eine sichere Lösung ist.«
Und ich hatte gedacht, dass dieser Arzt – ach Schwamm drüber. Habe mich in ihm ganz schön geirrt, dachte Lene und schenkte Dr. Holler ein dankbares L ächeln, das er leicht verwirrt erwiderte.
»Kann ich noch mit der Nachtschwester sprechen?«
Er nickte und ging über den spiegelblanken Flur voraus ins Schwesternzimmer. Nur, dass die Schwester ein junger Mann war.
»Ich übernehme um sechs die Patienten. Ich habe schon von dem schli mmen Skiunfall gehört. Normalerweise endet so etwas ja mit einem Bein- oder Armbruch. Der Kopf – das ist schon etwas anderes. Die Snowboarder sind aber auch oft so was von rücksichtslos. Natürlich nicht alle. Ich fahre selbst Snowboard. Einfach ein geiles Gefühl. Schon schlimm, so ein Junge. Aber ich passe auf ihn auf, da können Sie ganz beruhigt sein.«
Holler fragte noch nach seiner Kollegin, die heute Nacht hier sein würde. Frau Dr. Holtz, eine energische rundliche Blondine kam ger ade um die Ecke. Der Arzt erklärte ihr die Sachlage und stellte die beiden Deutschen vor.
»Da können’s gonz b‘ruhigt soa. I pass auf. Was moanens, woll‘n wir dann nicht heit Obend füa die Nacht die Intensivstation für olle Besucha abschließn? Es is jo nua noch der Frischopariate do – un der hat koane Vawandt’n hia.«
Holler fand das auch eine gute Absicherung. So hatten nur der Pfleger, die Nachtschwester, die etwas später kommen würde und die Ärztin Zutritt zur Intensivstation. Lene stimmte erleichtert zu. Sie zog ihre Visitenkarten heraus und reichte sowohl der Ärztin als auch dem Pfleger eine, mit der Bitte gleich anzurufen, falls sich etwas verändern würde.
Kapitel 10
Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Als sie im Auto saßen, entschuldigte sich Lene und stieg noch einmal aus. Die Kühle des Schnees schien durch ihre Stiefel zu dringen. Sie zog ihren wattierten Mantel fest um sich, nachdem sie den Reißverschluss geschlossen hatte. Was sie selten tat. Vor ihr lag der Zeller See, eine glänzende schwarze Fläche, nur durch die Lampen der Straße und der Weihnachtslichterketten der Hotels, die sich darin spiegelten, aufgelockert. Links und jenseits des Sees hohe Bergekämme, die in der späten Dämmerung gegen den dunklen Himmel besonders weiß leuchteten. Sie dachte an ihre Freundin Christiane am anderen Ende des Sees, die sie diesmal gar nicht besuchen würde. Sehr ungewohnt.
Lene gönnte sich kurz diesen Blick, atmete tief durch und suchte sich innerlich aus der erwartungsgeladenen Hektik der jetzt zwang släufig folgenden Ermittlungen zu lösen. Sie musste erst einmal mehrere Telefonate führen. Zuerst Kalle. Der war sprachlos, als er von der neuesten Entwicklung erfuhr.
»Das sieht nicht gut aus, Lene. Ziemlich viel Gewalt in der Familie, finde ich. Großmutter erschlagen, Tante ve rprügelt im Frauenhaus und Enkel über den Haufen gefahren. Und das alles in zwei Tagen. Hoffentlich kommen die Mitschüler mit was raus.«
»Darauf hoffe ich auch. Ich werde gleich noch mit Frau Gellner sprechen und mir dann die
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