Denn dein ist die Schuld
der Nationalen Antimafia-Kommission
Danach folgten mehrere Seiten mit Beschreibungen der Russenmafia, über deren Ursprünge und derzeitige Aktivitäten.
Interessant wurde es, als plötzlich die Namen der Organisation auftauchten, die bereits in der Unterhaltung mit der Prostituierten gefallen waren.
Unter den brutalsten und aktivsten kriminellen Organisationen in den ehemaligen Sowjetrepubliken, die sich mit Auftragsmorden beschäftigen, ist an erster Stelle die berüchtigte Solntsevskaya oder ›Brigade Solntsevo‹ zu nennen . Diese ging Anfang der Achtzigerjahre aus der Verbindung anderer krimineller Banden hervor, die im Moskauer Viertel von Solntsevo operierten und vor allem Diebstähle und Erpressungen verübten.
Die Köpfe dieser Gruppen waren schon zu Beginn der Neunziger in der Lage, Transfers hoher Geldsummen auf den Schwarzmarkt durchzuführen, Betrugsdelikte zu organisieren und illegale Spielkasinos zu leiten . Im Grunde ist die Solntsevskaya nichts anderes als ein Gegenstück zu unserer Magliana-Bande , die über die entsprechenden organisatorischen und unternehmerischen Strukturen einer echten kriminellen Organisation verfügt.
Die Solntsevskaya verfolgt ihre Interessen in verschiedenen illegalen Aktivitäten in etwas zweiunddreißig Ländern, darunter auch Italien. Hier steht sie in einem regen Austausch mit den lokalen Mafias, insbesondere der kalabrischen’Ndragheta, aber auch mit rechtsradikalen politischen Gruppierungen, die sie finanziert und zur Vergrößerung ihrer Kader ermutigt mit der Aussicht, von ihnen logistische Unterstützung bei ihren verabscheuungswürdigsten kriminellen Aktivitäten zu erhalten. Mit den wirren rechten Ideologien sollen nur die Interessen ihrer Finanzgeber kaschiert werden .
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In letzter Zeit hat die Solntsevskaya neben traditionellen Verbrechen wie Erpressung, Entführung, Auftragsmorden und Schwarzmarktgeschäften ihren Operationsradius auf immer komplexere Geschäfte ausgeweitet: auf den Gebieten Menschenhandel, vor allem mit Frauen und Kindern, Finanzdelikte und Internetverbrechen, darunter auch die Verbreitung von kinderpornografischem Material im Netz.
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In Italien, einem Land, das häufig für geschäftliche Treffen zwischen Vertretern der Organisation und den Ausführenden genutzt wird, sind die Kontakte zum organisierten Verbrechen rege und ausgeprägt, aber nur sehr schwer auszumachen, da sie von völlig unverdächtigen Personen unterhalten werden.
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In der Lombardei, vor allem in Mailand und Umgebung, gilt die Präsenz von Mitgliedern der Brigata Solntsevo als sichere Tatsache, die sich hier auf Geldwäsche durch Ankauf und Renovierung von hochwertigen Immobilien spezialisiert hat, oder den Erwerb von Handelsunternehmen, die dann von über jeden Zweifel erhabenen Bürgern geführt werden, durch den Betrieb von illegalen Spielkasinos und den Handel mit Menschenmaterial: Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, Kinder, die zum Betteln losgeschickt werden, Behinderte, die in den Fußgängerzonen Billigware verkaufen sollen …
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KAPITEL 84
Montag, 12. März, 09:00 Uhr
Montag war ein neuer Tag.
Montag war immer ein neuer Tag in Mailand. Nach einem langweiligen Sonntag stand man am nächsten Morgen voll der freudigen Erwartungen für die beginnende Woche auf. Doch man musste sich um acht Uhr in den Berufsverkehr stürzen, und man erkannte sofort, dass einem wohl kaum etwas Schönes oder Neues in einer Stadt geschehen würde, die Ampel für Ampel an der eigenen Lebensenergie zehrte, während man ständig darauf warten musste, endlich über die Kreuzung zu dürfen.
Na ja, vielleicht nicht immer. Wenn es nicht regnete, wenn es nicht irgendwelche Demonstrationen in der Stadt gab, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel nicht streikten, wenn es keine Baustellen gab, wenn es keine Unfälle auf dem Weg gab, wenn …
Zu den Unannehmlichkeiten der Stadt musste man wohl auch den Ökopass für das Stadtzentrum zählen, die letzte Glanztat des Bürgermeisters, nachdem sowieso schon jeder Quadratzentimeter Parkfläche in gelbe Zonen nur für Anwohner und blaue Zonen gegen Parkausweis umgewandelt war. Weiße Parkzonen zur freien Verfügung gab es so gut wie gar nicht mehr.
Natürlich konnte man auch in Mailand schöne Erfahrungen machen. Und wenn das nicht gleich passierte, dann nur deswegen, weil sie Schlange stehen mussten, bis sie wieder an die Reihe kamen. Man musste eben Geduld haben.
Das konnte der
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